„Wir brauchen die Kommunen für die Prognose“

Andrea Rahn, Leiterin des Fachbereichs „Bau Ortsnetz Anschlusswesen“ bei ED Netze, verrät im Interview, worauf es bei der Zielnetzplanung ankommt.
Andrea Rahn, Leiterin des Fachbereichs „Bau Ortsnetz Anschlusswesen“ bei ED Netze, verrät im Interview, worauf es bei der Zielnetzplanung ankommt.

Wie viel Strom wird in einer Kommune verbraucht? Wie viel dort erzeugt? Und zwar nicht heute, sondern im Jahr 2045. Darum geht es bei der Zielnetzplanung. Wie kann ED Netze so weit in die Zukunft planen?

Von Gerhard Berger

Bei der Planung von Energienetzen muss man in großen Zeiträumen denken: Schließlich geht es um eine sichere Versorgung für die Zukunft, um millionenschwere Investitionen für die kommenden 30 Jahre. Und im Alltag eine möglichst effiziente Umsetzung – schließlich will niemand, dass ständig die Straße aufgerissen werden muss.

Andererseits muss ED Netze massiv in die Stromnetze investieren. Im Rahmen der Energiewende flutet zu Spitzenzeiten immer mehr regenerativer Strom aus PV-, Wind-, Biogas-, Wasserkraft- sowie Kraft-Wärme-Kopplungs(KWK)-Anlagen in die Verteilnetze. Dieser zunehmend dezentralere Stromfluss könnte die heutige Infrastruktur überlasten.

Der Netzausbau muss also gut geplant werden. Nicht von heute auf morgen, sondern von jetzt für viele Jahre. Andrea Rahn, Leiterin des Fachbereichs „Bau Ortsnetz Anschlusswesen“ bei ED Netze, einem Unternehmen der Energiedienst Holding AG, verrät im Interview, wie das geht.

Frau Rahn, haben Sie eine Glaskugel? Oder wie wollen Sie heute die Stromflüsse in mehr als 20 Jahren voraussagen?

Andrea Rahn: „Eine Glaskugel haben wir leider nicht. Aber es gibt ein paar Anhaltspunkte für unsere Planung. Da ist zum einen der Netzentwicklungsplan der Bundesregierung und die darin enthaltenen Hochrechnungen. Auf der anderen Seite erstellen wir Prognosen, wie sich Bedarf und Verbrauch in Zukunft in einer Kommune entwickeln könnten.“

Wie kommen Sie auf diese Prognosen?

Basierend auf den aktuellen Daten skalieren wir die Netzauslastung in der Zukunft. So gehen wir davon aus, dass die Elektromobilität und die Zahl der Wärmepumpen noch deutlich ansteigen werden, was die Last im Niederspannungsnetz anwachsen lassen wird, wenn Pendler künftig an einem Winterabend nach Hause kommen und alle zusammen gleichzeitig ihre Elektroautos laden und Wohnungen heizen werden.

Das hört sich aber immer noch recht vage an.

Zugegeben: Punktgenau werden wir das nicht schaffen, aber je besser unsere Datengrundlage ist, desto besser wird die Prognose. Und hier brauchen wir die Kommunen.

Warum das?

Wenn wir heute schon wissen, was Kommunen für die Zukunft planen, können wir das mit einbeziehen. Wenn es zum Beispiel konkrete Pläne zum Ausbau von Photovoltaik auf kommunalen Gebäuden oder die Erschließung von Freiflächenanlagen geht. Oder eine Förderung von Wallboxen für E-Autos geplant ist. Genauso wie die kommunale Wärmeplanung.

Was hat die Wärmeplanung damit zu tun?

In Wohnviertel, die ein Wärmenetz bekommen, werden weniger Wärmepumpen installiert werden, als dort, wo die strombasierte Heizung für viele die Wahl der Zukunft sein wird.

Aber wer in eine Wärmepumpe investiert, baut sich vielleicht auch eine PV-Anlage aufs Dach. Wie wollen Sie das mit einberechnen?

Unsere Erfahrungen zeigen, dass private Erzeugung sehr eigenverbrauchsoptimiert läuft. Die Belastung im Niederspannungsnetz wird also eher durch den Verbrauch am Abend entstehen.

Und im Mittelspannungsnetz?

Hier werden es wohl die größeren Freiflächenanlagen sein, die tagsüber mehr einspeisen.

Wie schaffen Sie dann den Spagat zwischen den Netzebenen? Selbst speichern?

Das dürfen wir als Netzbetreiber gar nicht. Einspeichern und zu einem späteren Zeitpunkt einspeisen wäre Handel. Der ist uns untersagt.

Was können Sie sonst tun, wenn Sie in Erzeugung und Verbrauch nicht eingreifen können?

Wir haben die Möglichkeit, Erzeugungsanlagen abzuregeln, um die Netzstabilität zu gewährleisten. Da dezentrale Einspeisung aber ein Kernelement der Energiewende ist, möchten wir so wenig wie möglich auf dieses Mittel zurückgreifen. Und Eingriffe in den Verbrauch wären noch heikler.

Was bleibt?

Der Netzausbau: Leitungen verstärken oder Netzlängen verkleinern, indem wir mehr Ortsnetzstationen bauen. All diese Maßnahmen kosten aber viel Geld, dauern lange und wollen gut geplant sein. Deshalb setzen wir auf eine enge Zusammenarbeit mit den Kommunen.

Foto: trurnit GmbH
Foto: trurnit GmbH

Über den Autor: Gerhard Berger

Gerhard Berger ist Leitender Redakteur und Berater bei der Unternehmensgruppe trurnit, dem deutschen Marktführer für Energiekommunikation. Dort koordiniert er als Chef vom Dienst Beiträge zu Themen aus allen Energiefeldern – von der Erzeugung bis zu Energiespartipps zuhause. Bei Energiedienst leitet er die Umsetzung des Privatkundenmagazins NaturKunde und ist Autor für den Kommunal-Newsletter KOMMpakt. An seinen Aufgaben reizt ihn besonders, komplexe Energiethemen allgemeinverständlich aufzubereiten.

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