Frauen und (Netz-)Technik – das passt. Den Beweis treten immer mehr weibliche Auszubildende bei ED Netze an. Gleichwohl könnten es mehr Bewerberinnen sein. Welche Vorurteile dem leider noch immer im Wege stehen, wie es Unternehmen gelingt, traditionelle Geschlechterklischees zu durchbrechen und welche Rolle der heutige Girls‘ Day dabei spielt, verrät ED-Netze-Ausbildungsleiterin Jennifer Ott im Interview. Vor allem aber ermutigt sie technikbegeisterte Mädchen, ihr „spannendes“ Talent zu entdecken.
von Patrick Torma
Frau Ott, wussten sie schon immer, dass Sie mal einen technischen Beruf ergreifen würden?
Nein, das war mir nicht bewusst. Als Schülerin dachte ich anfangs, ich erlerne einen Beruf, den Frauen „typischerweise“ so machen. Einzelhandel, Gastronomie oder Hotellerie – so etwas in der Richtung. Dass ein technisch-handwerklicher Beruf infrage kam, wurde mir erst bei der Berufsorientierung der Arbeitsagentur klar. Dort ergab ein Test: Elektronikerin könnte etwas für mich sein …
Wussten Sie denn von Ihrem Faible für Technik?
Es machte mir schon immer sehr viel Spaß, mit meinen Händen zu arbeiten und anschließend das Ergebnis zu bestaunen. Wenn es dann auch leuchtete, war es sowieso das Größte (sie lacht). Doch erst durch diesen Test merkte ich: Technik liegt mir wirklich. Im Zuge von Berufsinformationstagen und diversen Praktika lernte ich noch weitere Arbeitsbereiche kennen. Aber Elektronikerin war einfach der Berufswunsch, mit dem ich mich am wohlsten fühlte.
Was hat Sie bestärkt, Elektronikerin für Betriebstechnik bei ED Netze zu werden?
Über ein Praktikum kam ich mit ED Netze in Berührung. Und tatsächlich war ich auch bei einem Girls‘ Day in der Lehrwerkstatt dabei. Beides hat mir sehr gut gefallen, denn so konnte ich den Beruf, aber auch das Unternehmen kennenlernen. 2011 begann ich mit meiner Ausbildung bei ED Netze.
Als junge Frau in einem technischen Ausbildungsberuf: Sind Sie auf Vorbehalte gestoßen?
Es gab durchaus Leute in meinem Umfeld, die fragten: „Eine Frau in einem Technik-Beruf – ist das wirklich das Richtige?“ Leider war auch der eine oder andere richtig dumme Spruch dabei. In meiner Ausbildung waren Vorbehalte allerdings kein Thema. Alle Kolleginnen und Kollegen bei ED Netze waren sehr offen und hilfsbereit. Besonders gerne erinnere ich mich an Kunden, die sich total freuten und sogar damit angaben, dass da plötzlich eine Frau war, die ihnen den Hausanschluss setzte. Diese Erfahrungen bestärkten natürlich ungemein.
Heute sind Sie Ausbildungsleiterin bei ED Netze und bestärken Ihrerseits junge Frauen in ihrem Berufswunsch …
Allein am Standort Rheinfelden haben bereits sieben Mädchen eine Ausbildung zur Elektronikerin gemacht, im kommenden September fängt ein weiteres an. Es kommen immer mehr junge Frauen zu uns, die sich für diesen Beruf interessieren. Zur Wahrheit gehört aber auch: Mehrheitlich sind es immer noch Jungs, die Elektroniker werden wollen. Und leider gibt es auch immer wieder Jahre, in denen uns keine einzige weibliche Bewerbung erreicht.
Was darauf schließen lässt, dass Geschlechterklischees weiterhin eine Rolle auf dem Arbeitsmarkt spielen?
Leider ist es immer noch so, dass sich viele Mädchen nicht trauen, sich in handwerklich-technischen Berufen auszuprobieren. Sie schauen dann eher, welche Berufswünsche die Freundinnen äußern und schlagen dann Richtungen ein, in denen Frauen tendenziell unter sich bleiben.
Klar spielen Klischees eine Rolle. Nicht nur in der Gesellschaft, sondern auch im Kleinen, in der Familie etwa. Beispielsweise hält sich hartnäckig das Vorurteil, dass Frauen in handwerklichen Berufen im Nachteil seien. In der Folge macht die Tochter eben eine Ausbildung im Einzelhandel oder als Kauffrau. Natürlich braucht es im Handwerk hin und wieder Kraft. Aber die haben Frauen auch. Darüber hinaus gibt es inzwischen viele Techniken und Hilfsmittel, die allen die Arbeit erleichtern.
Haben Sie ein konkretes Beispiel aus der Arbeit als Elektronikerin?
Beispielsweise haben wir früher Kabelscheren eingesetzt, die wie Bolzenschneider aussahen und schwerer zu handhaben waren. Mittlerweile gibt es diese Scheren auch akkubetrieben, die schneiden entspannt auf Knopfdruck ab.
So etwas muss man erst mal wissen …
Umso wichtiger ist es, dass wir als ED Netze, aber auch andere Unternehmen, auf die Mädchen zugehen und ihnen aufzeigen, welche Möglichkeiten ihnen offenstehen.
Der diesjährige Girls‘ Day, der Zukunftstag für Mädchen, findet am 28. April statt. Sie selbst wurden über den Girls‘ Day auf ihre heutige Wirkungsstätte aufmerksam. Welchen Stellenwert besitzt der Aktionstag für ED Netze?
Wir öffnen an diesem Tag unsere Lehrwerkstätten in Rheinfelden und Donaueschingen und laden Mädchen dazu ein, sich in elektrotechnischen Übungen auszuprobieren. Der Schnuppertag ist bewusst als offenes Angebot konzipiert. Wer will, kann seine Freundinnen mitbringen. Niemand muss hier allein hin. Es erfreut mich immer wieder aufs Neue, wie Mädels ihren Spaß an der Technik entdecken und feststellen: „Mensch, ich kann das auch! Obwohl immer alle sagen, Elektrotechnik sei nur was für Männer.“ Deswegen besitzt der Girls‘ Day für ED Netze, aber auch für mich persönlich, einen sehr großen Stellenwert.
Was erleben die Mädchen beim Girls‘ Day in den Lehrwerkstätten?
Wir stellen an diesem Tag unsere beiden technischen Lehr- und Studienberufe vor: die Ausbildung zur Elektronikerin für Betriebstechnik sowie den dualen Studiengang für Elektrotechnik (Bachelor of Engineering). Da das Ganze in den Lehrwerkstätten stattfindet, lernen die Teilnehmerinnen direkt den Ort kennen, an dem sie möglicherweise ihre Ausbildung absolvieren. Außerdem sind Auszubildende vor Ort, die aus erster Hand von ihren Erfahrungen berichten.
Besonders wichtig ist: Wir führen keinen Frontalunterricht. Der Tag ist interaktiv gestaltet. Die Mädchen können eine Reihe von Tätigkeiten austesten, die auch Elektronikerinnen und Elektroniker regelmäßig ausführen. Wir löten, stellen Verlängerungskabel her, programmieren eine kleine Anlage, so dass am Ende hoffentlich das eine oder andere Licht angeht.
Wir gehen auch darauf ein, wie das mit dem Strom zuhause funktioniert. Wie ist das, wenn ich zwei verschiedene Lichtschalter habe? Wie muss ich die miteinander verdrahten? Die Mädchen sitzen nicht bloß daneben, sondern führen diese Übungen eigenständig durch. Nur so können sie herausfinden, ob ihnen das handwerklich-technische Arbeiten liegt. Daneben veranstalten wir noch einen kleinen Geschicklichkeitswettbewerb am „Heißen Draht“, bei dem es etwas zu gewinnen gibt.
Bei Ihrer Mission, mehr Mädchen für die Elektrotechnik zu begeistern, verlassen Sie sich aber nicht nur auf die Power des Girls‘ Day, oder?
Der Girls‘ Day ist natürlich ein Highlight unseres Ausbildungsmarketings. Unsere Hauptsaison ist allerdings von März bis Juli. In diesen Monaten gehen wir regelmäßig in die Schulklassen und stellen uns als Unternehmen sowie unsere Ausbildungen vor. Wir – das heißt in diesem Fall: ED Netze als Teil der EnergieDienst-Gruppe. Neben den eben erwähnten Ausbildungs- und Studiengängen bei uns werden innerhalb der Unternehmensgruppe unter anderem noch Industriekaufleute, Industriemechaniker, Fachkräfte für Lagerlogistik sowie Fachinformatiker für Systemintegration ausgebildet. Zum Programm gehört auch ein Training, bei dem wir aufzeigen, worauf es bei einer Bewerbung ankommt. Natürlich weisen wir ausdrücklich darauf hin, dass alle diese Berufe auch von jungen Frauen erlernt werden können.
Woran machen Sie den Erfolg ihres Ausbildungsmarketings aus?
Nach unseren Schulbesuchen erreichen uns verstärkt Praktikumsanfragen. Insofern spüren wir jedes Mal einen positiven Effekt. Hinzu kommt: Alle unsere Mädels, die eine Ausbildung bei uns machen oder abgeschlossen haben, waren auch bei einem Girls‘ Day in unseren Lehrwerkstätten dabei.
Was raten Sie jungen Frauen, die sich für eine technische Ausbildung interessieren?
Egal, was andere sagen – macht Euch ein eigenes Bild. Probiert Sachen aus. Seht Euch um, welche Möglichkeiten es zur Orientierung gibt.
Wenn nicht gerade ein mehrwöchiges Pflichtpraktikum in der Schule ansteht: Viele Firmen bieten Brücken- oder Tagespraktika an, laden zum Tag der Offenen Tür – das sind einfache, aber wichtige Wege, in einen Beruf hinein zu schnuppern. Denn nur so könnt Ihr wirklich austesten, ob der Job etwas für Euch ist. Außerdem steigern vorherige Praktika Eure Chancen bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz, weil es Euer Interesse an einem Beruf unterstreicht.
Wir bei ED Netze sind übrigens jederzeit für Praktika offen. Ich kann nur einladen, mal eine Woche in der Lehrwerkstatt mitzumachen, sich mit den Azubis auszutauschen und sich einen allgemeinen Überblick über den Beruf des Elektronikers für Betriebstechnik zu verschaffen. Wir freuen uns über jede Bewerbung!
Euer Weg zu Praktikum oder Ausbildung
Ob schulisch, studienbezogen oder aus eigenem Interesse – ein Betriebspraktikum ermöglicht tiefe Einblicke in die vielfältige Welt eines Verteilnetzbetreibers. Für Initiativbewerbungen könnt Ihr das Bewerberformular nutzen.
ED Netze besitzt langjährige Erfahrung in der Ausbildung technischer Berufe. Angeboten werden die Ausbildung zur Elektronikerin bzw. zum Elektroniker für Betriebstechnik und der duale Studiengang für Elektrotechnik (Bachelor of Engineering). Letzterer wird in Kooperation mit der DHBW Lörrach durchgeführt. Nähere Informationen zu den Ausbildungsinhalten und Zugangsvoraussetzungen findet Ihr hier.
Wie steht es mit den Schulen?
Auch die können jederzeit auf uns zu kommen, eine E-Mail, etwa an mich unter jennifer.ott@ednetze.de, genügt. Gerne stellen wir unsere Ausbildungsmöglichkeiten in den Klassen vor. Oder wir laden zu Praxisnachmittagen in unseren Betrieb ein. Daneben bieten wir praktische Unterstützung bei Themenwochen an, wo wir uns gerne mit Ausbildungspräsentationen, Bewerbertrainings oder Mitmach-Unterricht beteiligen.
Beispielsweise erreichen uns Anfragen von Schulen, die Aktionen rund um die Energiewende planen. Kürzlich haben wir mit Schülern Solarautos gebaut, um eine Unterrichtsreihe zum Thema Solar- und Photovoltaik abzurunden. Wichtig ist natürlich immer der Bezug zu Strom und Energie – dann können wir uns vieles vorstellen.
Abschließend: Wenn Sie auf Ihre Erfahrungen als Ausbilderin zurückblicken – welches Erlebnis ist Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?
Eine der schönsten und größten Aktionen, an der ich beteiligt war, war die „Nacht der Ausbildung“ der gesamten Energiedienst-Gruppe. An zwei Sommerabenden in 2018 und 2019 haben alle dazugehörenden Unternehmen unsere gesammelten Ausbildungsberufe und Studiengänge vorgestellt, begleitet von vielen Mitmach-Aktionen, Führungen über das Betriebsgelände und Live-Shows unseres Fuhrparks. An die tolle Atmosphäre denke ich gerne zurück. Leider fiel die Veranstaltung zuletzt wegen Corona aus – ich freue mich jetzt schon, wenn wir mit der „Nacht der Ausbildung“ wieder durchstarten können. Immerhin haben wir so rund 300 Interessenten erreicht.
Wenn mir hinterher junge Menschen berichten, dass Aktionen wie diese das entscheidende Quäntchen zur Bewerbung bei uns waren – das ist das Schönste überhaupt.
Familienfreundlich mit Prädikat
Rund 350 Menschen sind für ED Netze im Einsatz, davon 46 Frauen (Stand: April 2022) – Tendenz steigend, wie Ausbildungsleiterin Jennifer Ott weiß. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist ein Thema, das insbesondere Frauen „verfolgt“ und in öffentlichen Debatten noch immer häufig als Entweder-oder-Entscheidung wahrgenommen wird. ED Netze setzt dem eine nachhaltige, auf individuelle Lebenssituationen zugeschnittene Personalphilosophie entgegen.
Dazu gehören zum Beispiel flexible Arbeitszeitmodelle wie Teilzeit (auch für Führungskräfte), Mitarbeiter- und Sozialberatungen, Unterstützungen wie Geburts- und Hochzeitsbeihilfe sowie betriebliches Kinderweihnachtsgeld.
Diese Familienfreundlichkeit wurde jüngst offiziell bestätigt: Zum vierten Mal in Folge zeichnete die Hertie-Stiftung ED Netze mit dem Zertifikat „berufundfamilie“ aus.
Über den Autor: Patrick Torma
Als freier Journalist und Texter spürt Patrick Torma spannenden Geschichten nach – und bringt sie für Leser auf den Punkt. Zu seinen Auftraggebern zählen Medien und Redaktionsbüros, aber auch Unternehmen, die ihrer Zielgruppe einen Mehrwert bieten. Technische und historische Themen begeistern ihn besonders. Da trifft es sich gut, dass die (Strom-)Netzgeschichten im ED-Netze-Blog beides vereinen.
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