Auf ihn zählt(e) das Netz: Ferraris und der Drehstrom

Die Zeiten des schwarzen Ferraris-Stromzähler mögen gezählt sein, seitdem 2017 der Roll-out der modernen Messeinrichtungen startete; aber das schmälert die Rolle seines Namensgebers nicht, die er für die Stromnetzgeschichte einnimmt. (Foto: ED Netze)
Die Zeiten des schwarzen Ferraris-Stromzähler mögen gezählt sein, seitdem 2017 der Roll-out der modernen Messeinrichtungen startete; aber das schmälert die Rolle seines Namensgebers nicht, die er für die Stromnetzgeschichte einnimmt. (Foto: ED Netze)

Galileo Ferraris gehört zu den oft übersehenen Pionieren der Stromnetzgeschichte. Dabei gilt der Italiener als Vater des Drehstroms. Seinem Nachruhm zum Verhängnis wurde, dass er den Wettstreit um die Energieversorgung unterschätzte. Doch noch hallt sein Name in vielen Kellern nach.

von Patrick Torma

Zu Lebzeiten gehörte der 1847 geborene Galileo Ferraris zu den führenden Wissenschaftlern Italiens. Als Ingenieur war er eine Kapazität auf dem Gebiet der Elektrotechnik. Er gründete die erste elektrotechnische Hochschule seines Landes, das er auf internationalen Elektrizitätskongressen repräsentierte.

Ein „elektrisierendes“ Schlüsselerlebnis ereilte ihn 1884 während einer Messe in seiner Geburtsstadt Turin. Der Franzose Lucien Gaulard demonstrierte mithilfe einer Ringleitung in das 40 Kilometer entfernte Dorf Lanzo Torinese die Effizienz des Wechselstroms über längere Distanzen.

Von dieser Vorführung inspiriert, experimentierte Ferraris ab 1885 mit mehrphasigen Wechselströmen und entdeckte dabei das elektromagnetische Drehfeld – die theoretische Grundlage für Dreiphasenwechselstrom, kurz: Drehstrom. Um dieses Prinzip nutzbar zu machen, baute er auch einen Induktionsmotor. Ferraris war ein heller Kopf, dachte aber leider nicht unternehmerisch. Anstatt seine Arbeit rechtlich zu schützen, machte er sie im März 1888 in einem Fachmagazin publik.

Streit ums Patent

Zwei Monate später erteilten die Behörden in Übersee ein Patent für einen Drehstrommotor – Antragsteller war ein gewisser Nikola Tesla. Als Ferraris rechtliche Schritte erwog, stand er einer finanzkräftigen Partei gegenüber: Tesla arbeitete für den US-Unternehmer George Westinghouse, der die Lizenz von seinem Konstrukteur erworben hatte. Als die Gerichte 1905 ihr Urteil fällten, konnte Ferraris nicht mehr angehört werden: Er war bereits 1897 im Alter von 49 Jahren verstorben.

Zwar gelang es Ferraris nicht, seine Erfindung zu schützen, dennoch verneigte sich die zeitgenössische Fachwelt vor ihm. Auf der Frankfurter Elektronik-Ausstellung 1891 wurde er als „Vater des Drehstroms“ gefeiert.

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Posthum wurde er als Namenspatron eines Messgerätes bekannt, das viele von uns noch regelmäßig ablesen: Die Funktionsweise des Ferraris-Stromzählers basiert auf den Ideen des italienischen Tüftlers. Dass der nach ihm benannte Kasten 125 Jahre nach seinem Tod nun durch moderne Messeinrichtungen ersetzt wird, schmälert Galileo Ferraris Bedeutung für die Stromnetzgeschichte nicht im Geringsten.

Ein System, mehrere Erfinder

Die kurze zeitliche Abfolge zwischen Ferraris Publikation und Teslas Patent 1888 macht stutzig. Ein Fall von Ideenklau? Darüber wurde erbittert gestritten. Allerdings: Tesla reichte seine Konzeptpapiere bereits 1887 ein. Die Entwicklung des Drehstromsystems ist ein Beispiel der Technikgeschichte, die stets von mehreren Forschern geschrieben wurde, teils unabhängig voneinander, teils aufeinander aufbauend. So geht der Begriff „Drehstrom“ selbst auf den für die deutsche AEG tätigen Elektroingenieur Michail Ossipowitch Doliwo-Dobrowolski zurück.

Über den Autor: Patrick Torma

(Foto: CAMILLO WIZ PHOTOGRAPHY, Camillo Lemke)
(Foto: CAMILLO WIZ PHOTOGRAPHY, Camillo Lemke)

Als freier Journalist und Texter spürt Patrick Torma spannenden Geschichten nach – und bringt sie für Leser auf den Punkt. Zu seinen Auftraggebern zählen Medien und Redaktionsbüros, aber auch Unternehmen, die ihrer Zielgruppe einen Mehrwert bieten. Technische und historische Themen begeistern ihn besonders. Da trifft es sich gut, dass die (Strom-)Netzgeschichten im ED-Netze-Blog beides vereinen.

5 Kommentare

    • Hallo Herr Seidel,
      vielen Dank für Ihre Frage. Dieses Zitat stammt aus der Monografie: „A History of Electrical Power Engineering“ von Percy Dunsheath.
      Wir hoffen Ihnen damit geholfen zu haben.
      Viele Grüße,
      naturenergie netze

  1. Hallo,

    weshalb bekam der Zähler den Namen von Ferraris (Ferrariszähler) und heißt nicht beispielsweise „Teslazähler“ ? Es ist doch genau so, seine Erfindung, da er auch das Patent zugesprochen bekam und nicht Ferraris. Wo kann ich mich dazu mehr einlesen ?

    Mit freundlichen Grüßen

    • Hallo Herr Sunman
      der Ferrariszähler ist nach Galileo Ferraris benannt, weil er die grundlegenden Prinzipien des Induktionszählers entwickelt hat. Ferraris entdeckte das Prinzip des rotierenden Magnetfeldes, das die Grundlage für den Betrieb dieser Zähler bildet1. Nikola Tesla hat zwar ebenfalls bedeutende Beiträge zur Elektrotechnik geleistet und erhielt viele Patente, aber der spezifische Mechanismus des Ferrariszählers wird auf Ferraris’ Arbeiten zurückgeführt.
      Wir hoffen, Ihre Frage damit beantwortet zu haben. Viele Grüße, naturenergie netze

  2. Warum heißt es dann nicht „Teslazähler“, wenn er das Patent vorher anmeldete ? Weshalb und wie setzte sich in der Geschichte der Name von Ferraris durch und nicht Tesla ?

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