
Mit dem Kabelmesswagen orten Stromnetz-Experten Defekte an und in Kabeln – und bestimmen deren Qualität sowie Verlauf. Dank modernster Technik spüren die Elektrotechniker sogar Beschädigungen im Kabelmantel auf. Doch wie funktioniert das eigentlich?
von Marvin Freiter
Jeder, der schon einmal einen platten Fahrradschlauch hatte, weiß, wie mühsam die Suche nach der defekten Stelle sein kann. Bei Kabeln, die in der Erde verlegt sind, ist es noch schwieriger. Oder man weiß, wie es geht: wie die Elektrotechniker Sabrina Markoni und Edgar Zimmermann. Sie arbeiten bei dem südbadischen Netzbetreiber ED Netze GmbH und untersuchen die Erdkabel der Region. Mithilfe eines Kabelmesswagens prüfen die beiden die Qualität oder den Verlauf von Stromkabeln und orten beschädigte Stellen – und das ganz ohne diese ausgraben zu müssen.

Die Einsätze der zwei ED-Netze-Mitarbeiter mit dem Kabelmesswagen sind dabei sehr verschieden: Mal orten sie Schadstellen an defekten Kabeln, dann wieder ermitteln sie die Qualität von funktionstüchtigen Kabeln oder bestimmen den Verlauf von nicht verzeichneten Kabeln.
Der Ausgangspunkt: Stromausfall
Häufig sind äußere Einflüsse der Grund für Störungen an Erdkabeln. Dass beispielsweise ein Baggerfahrer versehentlich ein Kabel mit der Baggerschaufel beschädigt, ist nicht ungewöhnlich. Vorteil: Der Ort des Defekts ist somit bekannt – und die Monteure des Netzbetreibers können sich gleich an die Reparatur begeben.
Es gibt allerdings auch Fälle, in denen der Ort des Defekts unbekannt ist. Wenn zum Beispiel Umwelteinflüsse ein Kabel beschädigen, kann ebenfalls ein Kurzschluss entstehen. Das Kabel ist dann kaputt, der wirkliche Grund und vor allem der genaue Schadensort allerdings sind unbekannt. Die Verbundleitstelle der ED Netze alarmiert in solchen Fällen eines der Kabelmesswagen-Teams wie zum Beispiel die Kollegen Sabrina Markoni und Edgar Zimmermann. Die Leitstelle ist das ganze Jahr rund um die Uhr besetzt, um im Fall der (Stromaus-)Fälle zeitnah reagieren zu können. Auch die Kabelprüfer arbeiten, wenn nötig, nachts, damit die notwendigen Reparaturen zügig erfolgen können und der Strom schnell wieder ungehindert fließen kann.
Gilt immer: Sicherheit geht vor
Zu Beginn jedes Einsatzes fahren Sabrina Markoni und Edgar Zimmermann mit dem Messwagen zu einer der Trafostationen, die unmittelbar mit dem zu untersuchenden Kabel verbunden ist. Bei ihrer Arbeit müssen die beiden Südbadener einige wichtige Regeln beachten. „Bevor wir die Instrumente des Messwagens mit dem Kabel verbinden können, muss das fragliche Kabel vom Stromnetz getrennt werden. Falls das noch nicht geschehen ist, schalten wir den Strom in enger Abstimmung mit der Netzleitstelle ab“, erklärt Edgar Zimmermann.

„Danach begehen wir den Einsatzort und sperren ihn ab. Wir setzen Hochspannung ein, daher müssen wir besonders umsichtig arbeiten, damit wir weder Mensch noch Tier gefährden“, so Edgar Zimmermann weiter. Erst wenn er und seine Kollegin Sabrina Markoni alle Sicherheitsvorkehrungen getroffen haben, schließen sie den Messwagen an die Schaltanlage der Trafostation – und somit an das Kabel – an.

Kompakt: Hightech auf kleinstem Raum
„Für jede unserer Aufgaben haben wir ein spezielles Gerät. Nur durch eine perfekte Ausnutzung des Stauraums findet unser ganzes Hightech-Equipment Platz im Transporter“, erläutert Edgar Zimmermann. Eine Rückbank gibt es nicht. Anstelle dessen ist dort eine Theke mit integrierten Computern angebracht. Hier werten die Elektrotechniker die Messergebnisse direkt vor Ort aus. Dafür werden der um 180 Grad drehbare Fahrer- wie auch Beifahrersitz praktischerweise zu Bürostühlen.

Das Ziel: Die kaputte Kabelstelle
Bei der sogenannten Vorortung legen die beiden ED-Netze-Mitarbeiter per Knopfdruck eine hohe Spannung an das beschädigte Kabel an. Auf ihren Bildschirmen können sie jetzt den Spannungseinbruch auf der Kabelstrecke anhand einer Grafik sehen. Sabrina Markoni weiß: „Je genauer die zugrundeliegenden Kabelpläne sind, desto genauer können wir die Stelle des Defekts vororten.“
Um den Ort exakt zu bestimmen, nimmt das Team anschließend eine „Nachortung“ vor. Für die benutzt Sabrina Markoni ein Gerät, das an einen Metalldetektor erinnert. Es ist ein hochempfindliches Mikrophon, das Geräusche aus der Erde aufnimmt.

Wenn Edgar Zimmermann mithilfe des Messwagens Spannungsimpulse in das beschädigte Kabel einspeist, entstehen an der defekten Stelle Lichtbögen, die mit Knallgeräuschen einhergehen. Jetzt braucht Sabrina Markoni nur noch den lauter werdenden Geräuschen zu folgen. So orten die beiden Messtechniker die Schadstelle punktgenau. Zum Abschluss markiert Sabrina Markoni den Ort mit Farbe aus der Sprühdose:
„Statt das ganze Kabel aufgraben zu müssen, kann das Tiefbauunternehmen die Schadensstelle nun exakt aufgraben. Außerdem vermeiden wir unnötige Verkehrsbehinderungen, weil wir die Baumaßnahmen minimieren. Durch unsere Ortung sparen wir somit viel Zeit und Geld.“
Das Mikrofon ist allerdings so empfindlich, dass schon Schritte und Regentropfen die Arbeit stören. Um genügend Ruhe zu haben, arbeiten die ED-Netze-Mitarbeiter deshalb in Städten sogar nachts.
Kabeldiagnose: Hält es noch?
Mit einer sogenannten Qualitätsmessung stellen Sabrina Markoni und Edgar Zimmermann dagegen fest, wie lange ein Kabel bestimmten Belastungen noch standhalten kann. Netzbetreiber, Kommunen und Industrieunternehmen beauftragen solche Diagnosen häufig für Mittelspannungskabel. Sie können anhand der Auswertung solcher Kontrollmessungen mögliche Investitionen absehen und rechtzeitig Ausfälle vermeiden. Denn bereits kurze Stromunterbrechungen können hohe Kosten verursachen, wenn beispielsweise Produktionsanlagen betroffen sind.

Um die Qualität eines Kabels zu bestimmen, stehen den beiden Netztechnikern zwei unterschiedliche Methoden zur Verfügung. „Eine Diagnose, ähnlich der Vorortung, gibt uns Informationen über die Qualität eines jeden 10- und 20-Kilovolt-Kabelbauteils“, so Edgar Zimmermann. „Außerdem können wir das Kabel einem Stresstest unterziehen. Dabei speisen wir konstant eine Spannung in das Kabel, die dreimal höher ist als die für das Kabel übliche.“
Übersteht das Kabel den Stresstest, ist die nächste Überprüfung erst nach sechs Jahren nötig. Hält das Kabel dem Test nicht stand, tauschen es Netzbetriebsmonteure umgehend aus oder reparieren es. Diesen Fall plant der zuständige ED-Netze-Betriebsstützpunkt bereits im Voraus ein.
Kabelortung: Verläufe und Zustand klären
Die modernen Messgeräte des Kabelmesswagens geben den Elektrotechnikern auch die Möglichkeit, den Verlauf von Kabeln zu dokumentieren. Es kommt nämlich häufig vor, dass der Verlauf alter Kabel nicht sorgfältig verzeichnet wurde und somit unklar ist.
Auch hierfür hat der Kabelmesswagen das Passende an Bord. Sabrina Markoni kann den Verlauf von Kabeln mittels eines hochsensiblen Frequenzortungsgeräts im wahrsten Wortsinn hören. Um das Kabel hörbar zu machen, koppelt Edgar Zimmermann in diesem Fall eine bestimmte Frequenz auf das Kabel auf. „Selbstverständlich ist das Frequenzortungsgerät ein anderes Spezialgerät als das, mit dem wir beschädigte Stellen in Kabeln orten“, merkt Edgar Zimmermann augenzwinkernd an.
Sogar die Qualität des Kabelmantels können die beiden Netztechniker bestimmen und Bruchstellen im Mantel zentimetergenau orten. Bei dieser Ortung legt Edgar Zimmermann die Spannung dann nicht auf den inneren Leiter, sondern auf den Drahtschirm, der die Isolation des Leiters umgibt. An der Fehlerstelle entsteht dadurch ein Spannungstrichter.
Sabrina Markoni kann in diesem Fall mit Metallspießen den Ort finden, an dem der Mantel kaputt ist. Steckt sie die Spieße in die Erde, leiten sie den Strom in ein Messgerät. Durch die unterschiedliche Entfernung der Spieße zum Mittelpunkt des Spannungstrichters, empfangen sie eine verschieden hohe Spannung. Das Gerät erkennt dadurch die Richtung des Defekts. Zum Abschluss wird die „Fundort“ für die Kollegen mit Sprühfarbe. Der Job des Teams Messwagen ist an dieser Stelle getan, es kann die Kabel wieder aufrollen und seine Sitze in Fahrposition bringen – der nächste Einsatz ruft.

Über den Autor: Marvin Freiter

Marvin Freiter arbeitet in der Unternehmenskommunikation. Dort spielt er unterschiedlichste Themen vorwiegend über digitale Kanäle.
„Die große Themenvielfalt des Unternehmens für die verschiedenen Kanäle entsprechend aufzubereiten, macht mir großen Spaß. Ein besondere Motivation ist dabei die Unternehmensvision, da mir auch privat ein nachhaltiger Umgang mit unserer Umwelt sehr wichtig ist.“
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