Wer in der Nähe einer Trafostation in Südbaden wohnt, konnte in den vergangenen Monaten vielleicht schon beobachten, dass sich im Ortsnetz der ED Netze GmbH einiges tut. Da kam ein Lkw mit einem Trafo auf der Ladefläche vorgefahren, Monteure arbeiteten in der Station, der neue Trafo wurde ab- und der Alte aufgeladen. Der Grund? Das letzte Bindeglied zwischen den Spannungsebenen in der sogenannten Energieübertragungskette wird fit gemacht für die Zukunft: Für eine effiziente Energieverteilung tauscht ED Netze insgesamt über 1.500 Ortsnetztrafos aus.
von Manuel Westermann
Trafostationen, die man häufig als kleine, längst nicht mehr nur unscheinbare, da inzwischen mancherorts kunstvoll inszenierte Häuschen am Straßenrand kennt, sind das letzte Bindeglied in der langen Kette der elektrischen Energieübertragung. Diese erstreckt sich zwischen den Höchstspannungs-Übertragungsnetzen als oberster Spannungsebene (mit Stromtrassen, deren „tannenbaumartige“ Masten weithin sichtbar sind) und den Niederspannungs-Verteilnetzen als unterster Spannungsebene, aus dem vor allem Privathaushalte, aber etwa auch öffentliche Gebäude ihre elektrische Energie beziehen.
Ortsnetzstationen, in der Bevölkerung schlicht Trafohäuschen genannt, spannen dafür zwischen 20.000 Volt (kurz: 20 kV) im überlagerten Mittelspannungsnetz und 230/400 V im Niederspannungsnetz um. Der Name kommt von ihrem „Herzstück“: Denn dafür sorgt ein vergleichsweise „leichter“ Trafo, da er mit einem Gewicht von ein bis zwei Tonnen für Stromnetzbetreiber-Verhältnisse noch zu den „kleinen“ gehört.
Der Trafo: Aufbau und Funktion
Doch was macht der eigentlich? Vereinfacht gesagt, besteht ein Trafo aus einem Eisenkern und darauf aufgewickelten Drahtspulen – den Wicklungen – und funktioniert kurz gefasst so: Eine Oberspannungswicklung wird an das Netz mit der höheren Spannung angeschlossen, im Fall eines Ortsnetztrafos das 20-kV-Netz. Die Unterspannungswicklung mit weniger Windungen wird mit dem Netz niedrigerer Spannung verbunden, dem 400-V-Netz. Da beide Wicklungen, also Spulen, auf den Eisenkern gewickelt sind, besteht eine Kopplung über das in diesem Eisenkern geführte Magnetfeld. Durch Induktion lässt sich Energie zwischen den beiden Wicklungen und damit Spannungsebenen übertragen.
Die Übertragung geschieht nicht ohne Verluste: Erstens weist ein Trafo durch die Magnetisierung des Eisens und den Widerstand der Wicklungen im Leerlauf konstante Verluste auf, man spricht hier von Leerlaufverlusten, da sie unvermeidbar sind. Zweitens entstehen zusätzlich Verluste in Abhängigkeit der Belastung, sprich Stromentnahme, die bei Nennbelastung den Kurzschlussverlusten entsprechen (für weitere Details siehe Sichtkasten am Textende).
Neue Trafos: Effizienter und leiser
ED Netze betreibt in ihrem Netz über 3.000 Ortsnetzstationen zur Versorgung der Niederspannungskunden. Der Netzbetreiber führt den umfassenden Trafo-Generationenwechsel durch, um die Effizienz in der Energieverteilung zu verbessern und diese Verluste zu minimieren. Umweltfreundlicher Nebeneffekt: Neben diesem höheren Wirkungsgrad sind die neuen Trafos auch deutlich leiser.
Jannick Spahn begleitet den Trafo-Generationenwechsel als Projektverantwortlicher im Team Trafo- und Kabelmontage des Unternehmens:
„Seit Beginn des Programms im Jahr 2018 haben wir binnen der ersten zwei Jahre bereits über 1.000 Trafos durch neue ersetzt. In den kommenden Jahren wollen wir noch einige hundert weitere Trafos tauschen. Dabei werden die ältesten und größten Trafos zuerst gewechselt. In Zuge dessen überprüfen wir auch, ob der neue Trafo in seiner Leistung an den aktuellen Leistungsbedarf angepasst werden kann.“
Der Trafotausch: Aus Alt wird Neu
Die Ortsnetzstation Weieräcker in Murg zum Beispiel versorgt knapp 100 Hausanschlüsse im Niederspannungsnetz. Sie beherbergte einen Trafo Baujahr 1970 mit einer Scheinleistung von 315.000 Volt-Ampere (kurz: 315 kVA). Für Nichtphysiker und Stromlaien: Die Scheinleistung kann näherungsweise mit der erzeugten Wirkleistung in Watt (kurz: W) gleichgesetzt werden.
Kleines Trafohäuschen, große Leistung
Leistungsstark waren die Ortsnetzstationen schon immer – und sind es auch in Zukunft. Dann sogar vielfach mit noch mehr Reserve. Es gibt jedoch keinen fixen Schlüssel für die Anzahl der angeschlossenen Haushalte und Gebäude pro Ortsnetzstation, das variiert in gewissen Grenzen. Entscheidend ist nämlich die Gleichzeitigkeit:
Je mehr Gebäude bzw. Haushalte in ihrer Gesamtheit betrachtet werden, umso geringer wird die gleichzeitig benötigte Leistung pro Netzkunde bzw. Haushalt. Damit nähert sich die gleichzeitig benötigte Leistung pro Haushalt einem Wert von 1,5 bis 2,5 kVA an, obwohl der einzelne Haushalt durchaus eine deutlich höhere Leistung beziehen oder einspeisen kann (laut Norm bis zu 13 kVA).
- Schritt 1, 7:00 Uhr: Ersatzversorgung herstellen. Dafür verfügt das Niederspannungsnetz der Station Weieräcker über Schnittstellen zu den umliegenden Niederspannungsnetzen in Form von Trennstellen in Kabelverteilerkästen. Bevor der alte Trafo ab- und freigeschaltet werden kann, fährt Netztechniker Matthias Kaiser vom ED-Netze-Stützpunkt Herrischried am Morgen zu den Trennstellen und schließt die Niederspannungsnetze zusammen. Er erklärt: „Haben wir diese Möglichkeit nicht, setzen wir ein großes Notstromaggregat zur Ersatzversorgung ein.“
- Schritt 2, 8:00 Uhr: Trafo abrüsten. Die Ersatzversorgung steht und die Kollegen können den alten Trafo in der Station Weieräcker abschalten. Die fünf Sicherheitsregeln – freischalten, gegen Widerstand sichern, Spannungsfreiheit feststellen, erden und kurzschließen sowie benachbarte unter Spannung stehende Teile abdecken oder abschranken – sind hierbei oberstes Gebot. So werden bei den folgenden Arbeiten etwaige Gefahren durch die elektrische Spannung minimiert. Die elektrischen Verbindungen des Trafos werden nun abgebaut.
- Schritt 3, 9:00 Uhr: Trafos tauschen. Vorsichtig lädt ein Kollege vom ED-Netze-Team Trafo- und Kabelmontage den neuen Trafo per Kran vom Lkw ab. Danach wird der alte Trafo aus der Station herausgezogen. Das ist ein Kraftakt – denn immerhin bringt der Trafo so viel auf die Waage wie ein Auto, verfügt jedoch im Verhältnis zum Gewicht nur über kleine Rollen. Danach fahren die Kollegen den neuen Trafo in die Station hinein.
- Schritt 4, 10:00 Uhr: Neuen Trafo anschließen. Die Niederspannungsverbindungen des Neugeräts können ohne Anpassungen direkt wieder angeschlossen werden. Anders sieht es auf der Mittelspannungsseite aus: Der alte Trafo war über Kupferstäbe mit der Mittelspannungsschaltanlage verbunden, wohingegen der neue Trafo per Kabel angeschlossen wird. Felix Mutter und Timo Steinegger vom Team Trafo- und Kabelmontage wissen um die wichtigen Details: „Bei der Montage von Kabelendverschlüssen und Steckern lassen wir ganz besondere Sorgfalt walten. Jeder Fremdkörper oder Lufteinschluss kann später zu Teilentladungen führen, die die Isolierung nach und nach schädigen und zum Versagen, dem sogenannten elektrischen Durchschlag, führen können.“
- Schritt 5, 12:00 Uhr: Sicherungen einsetzen. Nachdem die elektrischen Arbeiten erledigt sind, können sowohl auf der Mittel- als auch auf der Niederspannungsseite die Trafosicherungen eingesetzt werden. Im Hinblick auf die Energiewende erhöht ED Netze hier die Reserven. Daher ersetzen die Kollegen beim Tausch die alte Bemessungsleistung von 315 kVA durch die nächstgrößere von 400 kVA. Das bedeutet auf der Mittelspannungsseite einen Strom von 25 Ampere (kurz: A) inklusive Reserve und auf der Niederspannungsseite einen Strom von 577 A, den es abzusichern gilt.
- Schritt 6, 12:15 Uhr: Zuschalten. Jetzt ist alles so weit, dass die Kollegen die Schalter schließen können und der Trafo in Betrieb gehen kann. Es kommt zum charakteristischen Einschalt-Rush, der sich in einem stärkeren Brummen in den ersten Sekunden nach einer Zuschaltung bemerkbar macht.
- Schritt 7, 12:30 Uhr: Ursprünglichen Schaltzustand wiederherstellen. „Da der neue Trafo den Betrieb aufgenommen hat, kann die Station ihr Niederspannungsnetz ab sofort wieder selbst versorgen“, erläutert Matthias Kaiser. Er öffnet jetzt die von ihm vor dem Tausch geschlossenen Trennstellen und stellt damit den ursprünglichen Schaltzustand wieder her.
- Schritt 8, Dokumentation: Die Kollegen im Büro halten die Betriebsmittel-Datenbank der ED Netze aktuell und nehmen den neuen Trafo mit seinen technischen Daten auf. Das dient der besseren Übersicht für alle, denn der Trafo-Generationenwechsel ist ein Projekt, bei dem verschiedene Abteilungen involviert sind. Das Lager beschafft die neuen Trafos und führt die alten dem Recycling zu, Monteure wechseln die Trafos und führen die Schaltungen durch.
Bei den großen Stückzahlen ist der Trafo-Generationenwechel nämlich eine logistische Herausforderung. Der Projektverantwortliche Jannick Spahn fügt hinzu: „Meine Aufgabe ist es, die Dokumentation und den Ablauf im Hintergrund zu organisieren. Oft bin ich selbst beim Trafotausch dabei und dann auch Teil des Teams vor Ort.“
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Zukunftsfit: Weniger Verlustenergie
Eine wichtige Frage ist noch offen: Wie viel Verlustenergie spart der neue Trafo im Vergleich zum alten? Bei einer zugrundeliegenden Belastung sowohl des alten als auch des neuen Trafos von 200 kVA im Mittel ergeben sich für den alten Trafo Baujahr 1970 mit seiner Bemessungsleistung von 315 kVA die Gesamtverluste zu 2.320 W. Obwohl der neue Trafo eine größere Bemessungsleistung von 400 kVA hat, weist er nur Gesamtverluste in Höhe von 1.160 W auf – also gerade mal die Hälfte. Hochgerechnet auf ein Jahr beläuft sich die Einsparung auf über 10.000 kWh.
Stichwort Leerlaufverluste
Diese konstanten und unvermeidbaren, in der Natur der Sache liegenden „Wandlungsverluste“ setzen sich aus Hystereseverlusten (also Verlusten, die durch Ummagnetisierung im magnetischen Wechselfeld entstehen) und Wirbelstromverlusten zusammen.
Den Hystereseverlusten kann man begegnen, indem man in eine höhere Kernblechqualität und optimierte Übergänge zwischen den Blechen im Kern investiert. Letzteres reduziert auch die Kerngeräusche, die sich im typischen Brummen einer Trafostation äußern. Um Wirbelstromverluste zu minimieren, helfen möglichst dünn gewalzte Bleche.
Die Lastverluste sind vor allem den Verlusten in den Wicklungen aufgrund des Ohm‘schen Widerstands geschuldet. Ein ausreichend geringer Widerstand des verwendeten Kupfers oder Aluminiums, also ein ausreichend großer Leiterquerschnitt, ist hier von Bedeutung.
Die Werte für Leerlauf- und Kurzschlussverluste des im Beitrag dargestellten alten Trafos belaufen sich auf 770 bzw. 3.835 W. Ganz anders dagegen die Messwerte des Trafos „der neuen Generation“. Das nachfolgende Diagramm* veranschaulicht die Verlustleistungen vor und nach dem Trafotausch:
Über den Autor:
„Manuel Westermann arbeitet seit Mai 2017 als Betriebsingenieur bei der ED Netze GmbH: „Ich schätze den kollegialen Zusammenhalt sehr und freue mich, an vielfältigen Themen und Projekten im Netzbereich mitwirken zu können.“
Ein interessanter Artikel. „Die Station Weieräcker der ED Netze versorgt fast 100 Hausanschlüsse im Murger Wohngebiet“ ist unter einem Foto zu lesen. D.h. mit 400kVA kann der Gesamtverbrauch von ca. 100 Häusern gedeckt werden. 400kVA/100 = 4kVA ist die durchschnittliche Leistung die typischerweise ausreicht? Inwiefern ist bei diesen Erneuerungen der Ortstrafos schon höherer Leistungsbedarf bzgl. Elektromobilität, Wärmepumpen usw. abgedeckt oder ist der Gleichzeitigkeitsfaktor diesbezüglich ausreichend niedrig? Wie sieht es mit Überlastfähigkeit aus?
Gruß aus Stuttgart.