Die Zukunft ist smart: Intelligente Stromnetze

Marcel Meilhammer, Netzbetriebsmonteur ED Netze GmbH, beim Einbau. (Fotos: ED Netze GmbH / Roland Sigwart)
Marcel Meilhammer, Netzbetriebsmonteur ED Netze GmbH, beim Einbau. (Fotos: ED Netze GmbH / Roland Sigwart)

Stromerzeugung und -verbrauch müssen stets ausgeglichen werden, damit es zu keiner Gefährdung der Versorgungssicherheit und der Systemstabilität kommt. War und ist bislang die Stromnachfrage die große Unbekannte, wird mit steigendem Anteil der Erneuerbaren Energien die Planbarkeit doppelt schwer, denn gerade die volatile Stromerzeugung ist schwer hochrechenbar. Gefragt ist daher eine interagierende Verknüpfung von Datenlage und Energienetz, sodass Stromerzeugung und -nachfrage prozessorientiert Hand in Hand gehen können: Smart gemanagt werden Stromnetze intelligent – und so zu Smart Grids.

von Redaktion

Bislang sind die Stromnetze, nicht nur in Deutschland, auf einen mehr oder weniger gleichmäßigen Energiefluss ausgelegt. Das ist wenig verwunderlich, die bisherigen Hauptenergieerzeuger wie Kohle- und Atomkraftwerke konnten in aller Regel beständig Strom produzieren. So waren die verfügbaren Energiekapazitäten jahrzehntelang leicht zu berechnen. Kurzzeitige Netz-Überlastungen blieben die Ausnahme.

Es sei denn, das Wetter funkte dazwischen – wie zum Beispiel im Katastrophenwinter 1978/79 in Norddeutschland. Während im Westen vor allem Strommasten unter den Schneemassen einknickten, brach in der DDR die Braunkohleversorgung der Kraftwerke zusammen. Das Ergebnis? Stromausfälle. In manchen Regionen sogar tagelang.

Unausweichlich: Zukunftsfähiger Netzausbau

Diese Einspeisungsstabilität wird sich im Rahmen der Energiewende aufgrund der zunehmenden Nutzung der naturgemäß in weiten Teilen wetterabhängigen Erneuerbaren Energien ändern. Gerade Wind und Sonne gehorchen letztlich ihren eigenen Gesetzen. Auch die wachsende Anzahl der dezentralen Stromerzeuger (etwa Photovoltaik-Anlagen auf Bürogebäuden) ist ein schwer zu fassender Faktor, denn viele von ihnen speisen zu veränderlichen Zeiten und in schwankenden Mengen in die Netze ein.

Nicht nur diese beiden Variablen fordern die herkömmlichen Stromnetze nachhaltig heraus. Auch die Stromnutzung und damit verbundene Lastspitzen in den Netzen werden sich vermutlich ändern und müssen steuerbarer werden. Etwa, wenn die E-Mobilität zunimmt – um nur ein Beispiel zu nennen – und zukünftig wohl primär abends immer mehr Elektrofahrzeuge für den kommen Tag aufgeladen werden.

Kurz gesagt: Die herkömmlichen Netze müssen ausgebaut und ertüchtigt werden, um den neuen Ansprüchen parallel zur Energiewende gerecht zu werden. Ein Großteil des Stroms wird nämlich dezentral in die Stromnetze eingespeist – auf zweierlei Art und Weise. Zum einen, weil er danach noch weite Strecken überwinden muss (wie im Fall der Wind-Parks in der deutschen Nordsee), was vor allem die Zukunftsfähigkeit der Stromtrassen der überregionalen Übertragungsnetze betrifft. Zum anderen fordern gerade die vielen kleinen Einspeiser (etwa Photovoltaik-Anlagen auf den Dächern von Rathäusern oder kommunalen Schwimmbädern) die Betreiber lokaler Verteilungsnetze heraus.

Hier wie dort werden die Stromnetze auf allen Spannungsebenen daher vielmehr mittel- statt langfristig ein smartes Einspeise- und Lastmanagement benötigen.

Stichwort Lastmanagement

Als Lastmanagement bezeichnet man die gezielte Steuerung von Stromnutzung. Das sogenannte Demand Side Management wird zukünftig eine große Rolle spielen, weil es Schwankungen in der Stromproduktion ausgleichen kann. Derzeit fällt der Begriff meist nur im Zusammenhang mit E-Mobilität. Dort zielt es auf die Fähigkeit von Ladestationen ab, nur dann Strom zu beziehen, wenn die Kapazitäten im Stromnetz dafür ausreichen. So können Lastspitzen reduziert und zugleich die Netzstabilität erhöht werden.

Zum Lastmanagement gehören aber auch die Aspekte Lastabwurf, sprich das Abschalten eines Stromverbrauchers und damit die Reduktion bislang eingeplanten Strombedarfs, sowie Lastverschiebung, worunter das Umsteuern der Stromnutzung in Zeiten der geringeren Stromnachfrage verstanden wird. Industrieunternehmen sowie Firmen des produzierenden Gewerbes nutzen das schon heute. Auch für viele Gebäude (zum Beispiel Verwaltungskomplexe) wird der Stromverbrauch derart optimiert. Neben besseren Konditionen beim Stromeinkauf zielt solches Lastmanagement auf die Senkung der Energiekosten bei paralleler Erhöhung der Energieeffizienz ab.

Diese neuen Aufgaben zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit betreffen also nicht nur die großen Verteilnetzbetreiber, sprich in Deutschland die vier Übertragungsnetzbetreiber Amprion, 50Hertz, Transnet BW und TenneT. Auch die Betreiber von Mittel- und Niederspannungsnetze, wie zum Beispiel ED Netze, müssen die Anforderungen des Netzausbaubeschleunigungsgesetzes 2.0 (NABEG 2.0) umsetzen. Ziel dort ist es, dann auch Kleinstanlagen in die Prognosefähigkeit und Netzoptimierungsprozesse zu integrieren – da alle Netzebenen, von den Ferntrassen mit Höchstspannung bis zu den Ortsnetzen, Teil des sogenannten Redispatch 3.0 sind.

Konsequent: Vom Smart Meter zum Smart Grid

Derart intelligent interagierende Stromnetze, neudeutsch: Smart Grids, brauchen neben Stromleitungen dann aber auch eine verschlüsselte, also „sichere“ Datenkommunikation, um eine Interaktion zwischen allen Stromakteuren sicherzustellen. Deswegen wird in diesem Zusammenhang auch vom „Internet der Energie“ gesprochen, wofür letztlich das Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende das offizielle Startsignal gegeben hat.

Mit der Einführung und Installation der dort benannten intelligenten Messsysteme, sogenannten Smart Metern, können seit 2020 bereits die Stromendkunden ihren Verbrauch und/oder die Einspeisung etwa ihres Solarstroms komfortabler managen. Die Messtechnologie versorgt dabei unter Berücksichtigung der gesetzlichen Datenschutzregeln alle Akteure – vom Netzbetreiber über den Stromlieferanten bis zum Verbraucher – mit den für sie relevanten Informationen zu Erzeugung und Verbrauch. Damit sollen perspektivisch die Stromnetze besser steuerbar sein und effizienter ausgelastet werden.

Stichwort Smart Meter

Digitale Zähler machen den Stromverbrauch transparenter: Seit 2017 ersetzen sie zunehmend die analogen Ferraris-Zähler, die nur den Gesamtstromverbrauch seit ihrem Einbau anzeigen konnten. Dagegen speichert ein moderner Digitalzähler die Verbrauchswerte der vergangenen zwei Jahre tages-, wochen-, monats- und jahresweise – und kann auch entsprechend ausgelesen werden. Das muss jedoch wie gewohnt vor Ort am Zähler erfolgen.

Smart ist ein Zähler nämlich erst, wenn er ans Internet angebunden ist: Dafür braucht der Digitalzähler eine Kommunikationseinheit, das Smart Meter Gateway. Als intelligentes Messsystem ermitteln die neuen Smart Meter den Stromverbrauch, speichern, verarbeiten sowie senden Daten – und können auch selbst welche empfangen. Während die Verbrauchswerte sowohl der Stromversorger wie der Netzbetreiber als auch der Kunde bereits online erhalten können, steckt der umgekehrte Datentransfer noch in den Anfängen. Zukünftig sollen die Geräte zum Beispiel die Vorteile variabler Stromtarife nutzen und so den Stromverbrauch aktiv-effizient selbst managen können. Sozusagen selbst programmierbares Lastmanagement für jeden Haushalt.

Bis 2032 müssen übrigens alle Haushalte mit digitalen Messeinrichtungen ausgestattet werden, weswegen diese auch im Netzgebiet der ED Netze GmbH als grundzuständigen Messstellenbetreiber schon eifrig ausgetauscht werden (weitere Infos siehe hier). Intelligente Messsysteme wiederum sind seit 2020 verpflichtend für alle Verbraucher mit einem Stromverbrauch über 6.000 Kilowattstunden. Ausschlaggebend ist der durchschnittliche Verbrauch der vergangenen drei Jahre.

In einem weiteren Schritt gilt es, eine ähnlich transparente Datenlage auch für die Verteilnetze zu generieren. Dafür bedarf es Messdaten mit geografischem Bezug jenseits der Stromzähler – sprich flächendeckend für die jeweiligen Niederspannungsnetze. Denn die Stromnetze auf den letzten Metern zwischen den Ortsnetzstationen an der Straße und den einzelnen Haushalten sind schon heute gefordert wie nie. Wie erwähnt gerade auch durch die Zunahme der Kleinsteinspeiser.

Der Sensor „SMIGHT Grid“ misst die Stromstärke an den einzelnen Abgängen und überträgt diese verschlüsselt und in Echtzeit über das Mobilfunknetz an eine IoT-Plattform von SMIGHT. (Fotos: ED Netze GmbH / Roland Sigwart)

Folgerichtig: Netzplanung mit SMIGHT Grid

Um diese dringend benötigen Daten zu erhalten, setzt die ED Netze GmbH nun auf eine innovative Technologie, die von der Netze BW GmbH und dem EnBW Start-up SMIGHT entwickelt wurde: die IoT-Lösung SMIGHT Grid.

Ein patentierter Sensor misst die jeweilige Stromstärke an den einzelnen Abgängen und überträgt diese regelmäßig und verschlüsselt über ein Mobilfunknetz an eine Internet-of-Things-Plattform (kurz: IoT) von SMIGHT. Dort werden die Daten gespeichert, ausgewertet und schließlich ED Netze in einem Web-Portal, ähnlich wie bei Smart Metern für Stromendkunden, zur Verfügung gestellt. Der Netzbetreiber kann so zum Beispiel die Stromstärke quasi in Echtzeit ermitteln und bei Überlast schnell entsprechende Maßnahmen im Sinne der Versorgungssicherheit einleiten.

Klassische Ortsnetzstationen besitzen zwar schon immer eine eigene Messeinheit, den Schleppzeiger, doch zeigt dieser nur den höchstgemessenen Gesamtverbrauch einer Station an – der, wie beim analogen Stromzähler, leider keine Detailrückschlüsse zulässt. Außerdem wird der Schleppzeiger von den Netzbetreibern oftmals nur alle vier Jahre manuell abgelesen. Der Stromsensor von SMIGHT Grid hingegen misst die Stromstärke an den einzelnen Abgängen und liefert viertelstündlich detaillierte Informationen, wann in welchem Straßenzug wie viel Strom in Summe verbraucht wird. So lassen sich dank SMIGHT Grid mit den übermittelten Daten zum Beispiel für ganze Stadtviertel oder auch größere Bereiche konkretere Energiebilanzen generieren und genauere Bedarfsprognosen erstellen (was ein Smart Meter für einen einzelnen Haushalt ermöglicht).

Seit März 2021 statten die ED-Netze-Techniker zunächst in der Region Donaueschingen insgesamt 250 Ortsnetzstationen (sprich Transformatorstationen, die das Mittelspannungsnetz mit dem Niederspannungs-/Ortsnetz verbinden) mit der intelligenten Messtechnik aus. Damit erzielt ED Netze, in Bezug auf seine Netzgröße, bereits eine überdurchschnittliche Netzabdeckung – und somit verlässliches Datenmaterial.

„Wir können mit SMIGHT Grid in Echtzeit und standortgenau feststellen, wo die Stromnetze an ihre Kapazitätsgrenzen kommen“, erklärt Franziska Heidecke, Leiterin Digitalisierung und Innovation bei ED Netze. „Außerdem können wir mit Hilfe der gewonnenen Daten unser Netz gezielt ausbauen, um etwa weitere Ladestationen für Elektroautos sowie zusätzliche Photovoltaik-Anlagen optimal in unsere Infrastruktur zu integrieren – um so die Energie- und Mobilitätswende weiter voranbringen.“

Der Stromnutzer merkt davon übrigens nichts; die Montage der Sensoren dauert pro Station weniger als eine Stunde und erfolgt im laufenden Betrieb. Langfristig wird der Datenpool ein dynamisches Lastmanagement der Stromnetze und schließlich eine erfolgreiche Energiewende ermöglichen. Und das spürt dann auch der Kunde. Vor allem, wenn das Wetter macht was es will und der Strom trotzdem stabil fließt.

Stichwort SMIGHT (Grid)

Als Micro Business Unit innerhalb des EnBW-Konzerns (zu deren Beteiligungen unter anderem die Energiedienst Holding und damit die ED Netze GmbH gehören) agiert SMIGHT eigenständig am Markt. 2014 als ein Innovationsprojekt gegründet, ging es bei dem Start-up anfangs vor allem um multifunktionale Straßenlaternen, die mit WLAN, Notruf, Sensorik und Ladepunkten für Elektrofahrzeuge ausgestattet wurden. Daher leitet sich auch der Name SMIGHT ab: Smart City Light. Später etablierte man Lösungen, die Kommunen und Städte mit öffentlichem WLAN und intelligentem Verkehrsmanagement unterstützen.

2019 wurde die IoT-Lösung SMIGHT Grid auf den Markt gebracht. Da im Thema Stromnetzmanagement enormes Potential steckt, konzentriert man sich bei SMIGHT heute ausschließlich auf SMIGHT Grid. Mit der Lösung kann jeder Netzbetreiber, wie ED Netze, „abgangsscharfe“ Aussagen zum Netzzustand machen und sukzessive sowohl seine Prognosen als auch das Engpassmanagement verbessern – bis hin zu weiteren Anwendungsgebieten wie etwa in der Wartung und bei der Fehlerbehebung.

Man setzt dabei auf Interaktion mit den Anwendern. „Wir geben unsere Erfahrungen und Ideen an die SMIGHT-Produktentwickler weiter“, erklärt denn auch Netzbetriebsmonteur Tobias Hall von ED Netze. So ist eventuell eine spätere Nutzung für die Kurzschlussstromanzeiger in den Stationen denkbar. Eine Weiterentwicklung ist bereits in Planung.

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