Die Veränderungen der Erzeugungs- und Nachfragestrukturen führen auch zu neuen Anforderungen an die Netze, vor allem im Mittel- und Niederspannungsbereich. Veränderungsmanagement ist angesagt. Wobei die Neuerungen nicht nur die traditionellen Strukturen des physikalischen Netzes betreffen, sondern auch die Unternehmen und ihre Organisation selbst. Der südbadische Netzbetreiber ED Netze etwa hat den Veränderungsprozess schon aktiv aufgegriffen und bei sich vorangetrieben – unter Mitnahme alle Mitarbeiter und ganz im Sinne seines Claims „Wir gestalten das Netz von morgen.“: Mit einer InnoWerkstatt beschritt man neue Wege und erhielt im Gegenzug viele Ideen für umsetzbare Verbesserungen.
von Sonja Sahmer
Die Energieversorgung unterliegt einem Wandel, den Großteil dazu tragen die Energie– und die Mobilitätswende bei. Das führt zu neuen Anforderungen gerade an die Verteilnetze – inklusive ihrer Chance, dort aktiv gestaltend dazu beizutragen, die damit verbundenen Klimaziele zu ermöglichen.
Veränderung braucht Ideen
„Die Veränderungen im Netz, die neuen Trends und Technologien sind ein großes Thema für unsere Kolleginnen und Kollegen“, weiß Franziska Heidecke, Fachbereichsleiterin „Digitalisierung und Innovation“ bei ED Netze. „Denn ‚morgen‘ wird dort vieles anders aussehen.“ Doch dieses „morgen“ haben die ED Netze schon geraume Zeit im Blick: „Bei ED Netze bereiten wir uns schon heute auf diese neuen Anforderungen vor, wollen ‚innovativ‘ agieren – und nicht nur reagieren.“ Ein entsprechender Veränderungsprozess ist bei dem Verteilnetzbetreiber mit Hauptsitz in Rheinfelden schon im vollen Gange. Denn die Neuerungen betreffen nicht nur die traditionellen Strukturen des physikalischen Netzes hin zu digitalen beziehungsweise intelligenten Netzen, sondern eben letztlich auch die Netzbetreiber und deren Organisationen selbst. Noch einmal Franziska Heidecke: „Es geht uns im Zuge dessen auch um eine neue Art des Arbeitens und Denkens.“
„Der Fortschritt ist die Verwirklichung von Ideen.“ (Oscar Wilde)
Für den Weg dorthin hat man mit IdeaChamp einen Partner gefunden, um einen weiteren Schritt hin zum „Netz von morgen“, das man laut Firmen-Claim „aktiv gestalten“ will, professionell zu gehen: Auf Basis deren technischen Tools für Ideenmanagement entstand die sogenannte EDN InnoWerkstatt. Noch einmal Franziska Heidecke: „Dieser Ideen-Wettbewerb ist für uns eine Art Proof of Concept, der in dieser Form also nicht für alle Zeiten gesetzt ist. Er kann, unter Umständen in veränderter Form, wiederholt werden oder es kann auch zukünftig ein anderes ‚Werkzeug‘ zum Zuge kommen. Unser Ausgangspunkt war: Wir schauen mal, ob und wie eine InnoWerkstatt von den ED-Netze-Mitarbeitern angenommen und angewandt wird – und wie diese ‚Anleitung zum innovativ sein‘ uns letztlich im Veränderungsprozess unterstützen kann und weiterhilft.“
Als Ziel setzte sie sich mit ihrem Projektteam etwa 30 Veränderungsvorschläge und rund 50 aktive Nutzer des begleitenden Online-Tools. Doch wie ihre Mitarbeiterin Valerie Wagner weiß: „Am Ende hatten wir auf der Digitalplattform 156 Nutzer, die die dort eingereichten 66 Ideen kommentierten – und ihnen auch noch den einen oder anderen ‚anregenden‘ Stups in eine noch bessere Richtung gaben.“ Die Innovationsmanagerin erklärt weiter: „Ein aktiver Nutzer musste dabei nicht unbedingt selbst eine Idee einbringen, sondern konnte andere auch einfach durch seine Rückmeldungen begleiten und die Fortentwicklung von deren Ideen ermöglichen und voranbringen. Unsere Kolleginnen und Kollegen überzeugten mit wertschätzenden Austausch – und lebten schnell das gemeinsame Ausgestalten unseres Claims, der unser ‚Zielbild ED Netze 2030‘ auf die Kernaussage ‚Wir gestalten das Netz von morgen‘ konzentriert.“
Ideen bringen Erneuerung
Denn ihre Fachbereichsleiterin weiß: „Die Verteilnetze stehen durch die Energie- und Mobilitätswende vor vielfältigen Herausforderungen, haben auf einmal zusätzliche Aufgaben, müssen nun zwei Richtungen, Stromproduktion und -verbrauch, bewältigen. Dafür braucht es in den Netzen die gemeinsamen Anstrengungen aller Netzbetreiber – und bei denen wiederum die aller Mitarbeiter, das gemeinsam anzugehen.“ Franziska Heidecke erklärt weiter, warum man sich daher auf die Digitalplattform, die Struktur in die Ideenvorstellung und -diskussion brachte, nicht allein verließ: „Wir sind extra im Rahmen einer Roadshow als Kick-off der kreativen Phase der InnoWerkstatt zu allen unseren Stützpunkten und damit zu allen Kolleginnen und Kollegen, die mitmachen wollten, hingefahren. Damit unterstreicht der direkte Austausch: Wir hören euch zu, wir nehmen jede Anregung ernst, wir geben Feedback.“ Das war Anfang letzten November unter Pandemie-Bedingungen zwar keine leichte Sache, aber der Aufwand zeigte Wirkung. Er führte zu einer guten Resonanz vor Ort und zeitversetzt zu einer noch höheren online.
„Eine Idee muss Wirklichkeit werden können oder sie ist eine eitle Seifenblase.“ (Berthold Auerbach)
„Wir waren echt erstaunt, was dabei alles auf den Tisch kam“, fährt ihre Mitarbeiterin Valerie Wagner fort. „Wir haben die InnoWerkstatt ja als einen Baustein gesehen, innovativ zu sein im wahrsten Wortsinn, also uns zu erneuern – sprich zum Ankurbeln eines Veränderungsprozesses, weniger als Ideenschmiede von noch nie dagewesenem. Herausgekommen ist eine große Bandbreite an Verbesserungsideen, von simpel und naheliegend, aber bislang übersehen oder vergessen, bis hin zu wirklich kreativ-innovativ und technisch weitergedacht.“
Sie zielt darauf ab, dass bis zur Deadline unter den 66 eingereichten Ideen allein neun waren, die vorschlugen, mit leicht verfügbaren, aber zuvor ungenutzten Möglichkeiten Alltagshürden zu nehmen. Valerie Wagner nennt ein Beispiel: „Wer hätte etwa gedacht, dass ein scheinbar fremdes Autokennzeichen im Zuge von Versorgungsarbeiten am Netz bei Anwohnern für Irritationen sorgen kann? Sie erkannten aufgrund des Kfz-Zeichens nicht, dass Stützpunkt-Kollegen, die in der Region stationiert und tätig sind, vor Ort waren – und wunderten sich über den großen Aufwand, dass alle aus der Zentrale kämen. Ein einfaches Magnetschild, das die neutral beklebten ED-Netze-Wagen, die alle über die Hauptverwaltung zuglassen sind, nun dem betroffenen Stützpunkt zuordnet, war die schnell umgesetzte Lösung.“ Weitere acht Ideen waren ebenso zügig und ebenfalls zum großen Teil für vergleichbar kleines Geld realisierbar. Sie sorgen seither etwa für bessere – und schnellere – Kommunikation von ED-Netze-Mitarbeitern untereinander oder von Netzmonteuren mit betroffenen Anwohnern.
„Wer zu spät an die Kosten denkt, ruiniert sein Unternehmen. Wer immer zu früh an die Kosten denkt, tötet die Kreativität.“ (Philipp Rosenthal)
Das mag von außen betrachtet nicht innovativ im landläufigen Sinne sein, brachte aber dennoch Erneuerungen fürs Unternehmen – und das zeitnah, dabei unabhängig von der eigentlichen Einreichungsdeadline Anfang Dezember. Franziska Heidecke erklärt: „Es hat sich damit für uns bezahlt gemacht, dass wir täglich die Einreichungen wie auch die Community-Kommentare mitverfolgt haben – und so direkt diese ersten Verbesserungen, die gar keiner langen Umsetzungszeiten bedurften, in Abstimmung mit der Geschäftsführung und den zuständigen Fachabteilungen aufgreifen und anstoßen konnten.“
Unterdessen hatte im Dezember eine zehnköpfige Jury, zusammengesetzt aus Mitarbeitern verschiedener Unternehmensbereiche bei ED Netze, mit der Auswertung der übrigen 57 Ideen begonnen. Top: Nur sechs Ideen schieden insofern aus, da ihre Innovation keinen echten Bezug zu ED Netze und/oder den Verteilnetzen hatten. Bei den übrigen 51 wurden die vorab überlegten Bewertungskategorien erfüllt. Noch einmal Franziska Heidecke: „Umsetzbarkeit war ein wichtiges Kriterium, wobei es keine Vorgaben gab im Hinblick auf Zeitfenster und Kostenrahmen – aber natürlich war auch Wirtschaftlichkeit ein Punkt, den die Jury bewertete.“
Erneuerung braucht Menschen
Die insgesamt sechs Kriterien halfen beim Vergleich der Einreichungen und der Auswahl für die nächste Runde. Denn nur weil eine Idee einfacher umsetzbar war, musste sie nicht gleich auch interessant sein und umgekehrt nur weil eine Anregung schwieriger umsetzbar schien, fiel diese nicht gleich im Ranking ab. Stimmte das Potential, hatte jede Einreichung die gleiche Chance. Auch, sich im Zuge von digitalen Workshops im Januar weiter zu entwickeln, um dann mit ausgereifteren Konzepten im finalen Pitch im Februar zu überzeugen.
Joachim Pfister, technischer Geschäftsführer bei ED Netze, begleitete die InnoWerkstatt von Anfang an. „Da wir ergebnisoffen an das Ganze herangegangen sind, was für Ideen am Ende im Pitch stehen könnten, war die Ideen-Werkstatt schon ein Erfolg lange bevor das Finale überhaupt anstand: dank der größer als erwarteten Resonanz unter den Mitarbeitern und ihrer Vorschläge, die sich nicht nur auf technische Lösungen konzentrierten“, berichtet er von seinen anfänglichen Eindrücken. Er betont: „Wir sind alle – und damit meine ich alle, die die Netze nutzen – auf jene, die tagtäglich dafür sorgen, dass diese versorgungssicher funktionieren und zukunftsfähig sind und bleiben, angewiesen. Mit der EDN InnoWerkstatt haben wir unseren Kolleginnen und Kollegen gegenüber unterstrichen, dass wir uns dessen bewusst sind und haben den Ideen-Wettbewerb auch als ein Zeichen für Wertschätzung genutzt: Wir wissen, was wir an unseren Mitarbeitern haben – und dass in ihnen viel Potential steckt.“
Joachim Pfister fasst zusammen, was in der Schlussphase passierte: „Die Jury schlug uns von den über 50 Ideen, die letztlich von ihr ausgewertet wurden, mögliche Finalisten vor. Zehn haben wir für die Finalrunde zugelassen und konnten sich im Januar in einer Workshop-Phase darauf vorbereiten. Neun präsentierten sich letztlich mit ihren Ideen. Und das nicht mehr nur der Community auf der Digitalplattform der InnoWerkstatt, sondern allen Kolleginnen und Kollegen im Unternehmen. Denn wie am Anfang erging auch für den finalen Pitchday die Einladung an alle Mitarbeiter. Jeder konnte sich in das Digitalevent zuschalten – und live erleben, wer am Ende das Rennen bei Jury und Geschäftsführung machte.“
„Die Fähigkeit zur Innovation entscheidet über unser Schicksal.“ (Roman Herzog)
Vier Ideen, zwei erste und zwei zweite Plätze, gingen im Februar so nicht nur als Sieger aus der EDN InnoWerkstatt hervor, sie gehen jetzt auch in die konkrete Umsetzung. Noch einmal Joachim Pfister: „Das war von Anfang an unser Versprechen: Dass es nicht nur bei einer Top-Platzierung im finalen Abstimmungsranking und Lob über das Engagement bleibt, sondern die Ideen auch realisiert und nachhaltig genutzt werden.“ Er ist sich sicher: „Solche Signale an die Mitarbeiter sind in diesen herausfordernden Zeiten wichtig.“ Und unterstreicht noch einmal: „Wir sind echt stolz auf unsere Mannschaft, wie sehr sie sich mit ED Netze und unserem Zielbild identifiziert.“
Und das waren auch passiv immer viele, allein beim Livestream des Pitchdays etwa rund 120 Zuschauer. Wer es von der Arbeit her einrichten konnte, unterstützte so seinen Favoriten und fieberte auf diese Weise beim Endspurt mit den Finalisten mit.
Menschen haben Ideen
Die hatten die Jury auch vor eine echte Herausforderung gestellt, davon zeugen die doppelt siegreichen Ideen auf den Plätzen eins und zwei – und der Verzicht auf eine Drittplatzierung. Joachim Pfister weiß mehr: „Es waren tolle Präsentationen! Und bewundernswert, wie mutig-engagiert die Finalisten in gerade einmal fünf Minuten darstellten, was sie zuvor wochenlang beschäftigt hatte.“ Er fährt fort: „Die Endrunde spiegelte vom Kaufmännischen über den Ansatz Energiewende bis hin zur Kundenzentrierung alles wider, was uns heute wie in Zukunft wichtig ist.“ Und bei den Siegern zudem die Vielfalt und Berufserfahrung unter dem Mitarbeitern, von der Betriebsingenieurin über Stützpunktleiter bis zur Fachbereichsleiterin. Nicht ganz selbstverständlich: Das Rennen machten die Ideen von je zwei Frauen und Männern.
Mit je einer Goldenen Muffe als Platz eins ausgezeichnet wurden dabei zwei Digitallösungen, die auf Transparenz und Synergien im Unternehmen selbst setzen. Joachim Pfister will nicht zu viel verraten, doch er deutet an: „Umgesetzt werden sollen einerseits ein team-übergreifendes zentrales Auftragstool sowie andererseits ein Wissensportal, das das Fachwissen unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bündelt.“ Die Goldene Muffe für Platz zwei teilen sich zwei ganz unterschiedliche Ideen im Bereich Kundenschnittstellen. Noch einmal der ED-Netze-Geschäftsführer: „Während die eine Idee den Standard-Netzanschluss im Sinne unserer Kunden nachhaltiger nutzbar machen wird, zielt die andere auf eine zeitgemäß schnelle und einheitliche Kommunikationen mit den Kommunen ab.“
Sein abschließendes Fazit: „Unsere Kunden dürfen gespannt sein – und unsere Mitarbeiter auch. Denn gewonnen haben vier Ideen, die aus dem Tagesgeschäft heraus entwickelt wurden und Veränderungen dort innovativ anstoßen. Ein super Ergebnis für unsere InnoWerkstatt – und die bestmögliche Umsetzung unseres ‚Wir gestalten das Netz von morgen.‘-Claims.“
Über die Autorin: Sonja Sahmer
Nach „festangestellten“ Jahren in der Presse- und Öffentlichkeitarbeit machte sich Sonja Sahmer 2010 mit Texterlei als Journalistin, Autorin und Lektorin selbstständig. Neben Magazin-Beiträgen sowie Corporate-Publishing-Projekten textet sie auch für Unternehmenswebsites und -blogs. Mit einer „Schreibe“, die aus Begeisterung entsteht und Lesefreude verspricht. Und von Wissensdurst und Recherchelust zeugt.
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