Das Klima im Blick: Mobilität „vernetzt“ gedacht

Eine erfolgreiche Veränderung auf unseren Straßen funktioniert nur durch die intelligente Verknüpfung von Energie- und Verkehrswende: Weil die längst schon gegenwärtige Zukunftstechnologie Elektromobilität ein leistungsstarkes Stromnetz braucht, gerade auch im Verteilnetz, wo das Laden von Elektrofahrzeugen maßgeblich stattfindet. Ein „intelligentes“ Lastmanagement ist daher gefragt, nicht nur für die Netzintegration öffentlicher, sondern auch privater Ladeinfrastrukturen. Der Energiewirtschaft fällt somit eine zentrale Rolle zu, damit die Mobilitätswende gelingen und ihren Anteil zu den Klimazielen Deutschlands beitragen kann.

von Sonja Sahmer

Mit dem Programm „Fit for 55“ will die EU das Klimaziel einer Treibhausgas-Reduktion von 55 Prozent bis 2030 gegenüber 1990 erreichen. Bis 2050 soll praktisch gar kein CO2 mehr ausgestoßen werden. Die Ansätze und konkreten Maßnahmen dafür sind vielfältig – und liegen auch „auf der Straße“:

Elektromobilität (E-Mobilität) ist nicht nur in der EU sondern weltweit ein wichtiger Schlüssel für eine klimafreundliche Fortbewegung jenseits von Drahtesel und Schusters Rappen.

Stichwort Regierungsprogramm E-Mobilität

Um die Nutzung von Elektrofahrzeugen attraktiver zu machen, hat die Bundesregierung zusätzliche Impulse für die E-Mobilität beschlossen, die das Regierungsprogramm E-Mobilität von 2011 ergänzen.

Das Gesamtpaket besteht aus zeitlich befristeten erhöhten Kaufanreizen (bis Ende 2025), weiteren Mitteln für den Ausbau der Ladeinfrastruktur inklusive verbesserter gesetzlicher Rahmenbedingungen, zusätzlichen Anstrengungen bei der öffentlichen Beschaffung von E-Fahrzeugen sowie aus steuerlichen Maßnahmen (reine E-PKW sind für fünf Jahre KFZ-Steuer-befreit).

Mit einer zeitlich befristeten Kaufprämie – dem Umweltbonus – setzt die Bundesregierung Anreize für den Kauf eines rein elektrischen Fahrzeugs oder Plug-in-Hybrid-Fahrzeugs, wobei ein Eigenanteil der Hersteller erforderlich ist. Ende 2019 wurde beschlossen, den Umweltbonus bis zum 31. Dezember 2025 zu verlängern und deutlich zu erhöhen. Zudem hat der Koalitionsausschuss Anfang Juni 2020 vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie entschieden, den staatlichen Anteil für die Förderung von E-Fahrzeugen in Form einer Innovationsprämie befristet zu verdoppeln.

Auch Deutschland hat sich in diesem Umfeld ambitionierte Ziele gesteckt – und die Verbraucher ziehen mit: Im ersten Halbjahr 2021 wurden knapp 150.000 Elektrofahrzeuge (E-Fahrzeuge) neu zugelassen. Das sind bereits drei Viertel der Gesamtzulassungen des Vorjahres (Quelle: Statista bzw. Kraftfahrt-Bundesamt). In den kommenden zehn Jahren bzw. bis 2030 rechnet allein die Bundesregierung mit bis zu 14 Millionen E-Fahrzeugen, denn die EU-Kommission will ab 2035 gar keine Verbrenner mehr zulassen.

Dafür braucht es eine Menge Strom. Der wird in den kommenden Jahren immer „grüner“, denn Deutschland steckt mitten in der Energiewende.

Strom wird zunehmend „erneuerbarer“

Der Anteil der Erneuerbaren Energien am Bruttostromverbrauch hierzulande lag 2020 bereits bei rund 46 Prozent. Den restlichen Teil produzierten jedoch immer noch Kohle-, Gas- und Atomkraftwerke. Bis 2030 will die Bundesregierung den Stromanteil aus regenerativen Quellen auf 65 Prozent steigern, bis 2050 sogar auf 80 Prozent. Der Weg dahin ist schon abgesteckt: Ende 2022 wird in Deutschland das letzte Atomkraftwerk abgeschaltet, spätestens 2038 soll der Ausstieg aus der Kohle vollzogen sein.

Dafür wurden zwar vielfältige erneuerbare Alternativen gefunden, doch gerade die Ausbauziele für Windkraft, bereits heute größter „grüner“ Energieträger, und Solarenergie (Photovoltaik) müssen noch deutlich ansteigen – denn die Stromnachfrage wird laut dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi, Neuschätzung vom Juli 2021) wachsen, auch im Bereich Transport, der bislang nur einen verhältnismäßig kleinen Anteil beim Stromverbrauch darstellt. Denn damit der Betrieb von E-Fahrzeugen weniger CO2 erzeugt, braucht es mehr regenerativ erzeugten Strom.

Der aber muss auch vom Erzeugungsort der Erneuerbaren Energien zum Verbraucher gelangen. Eine wachsende Strommenge braucht also zwingend zusätzliche Leitungskapazitäten, gerade im Übertragungsnetz mit seinen großen Stromtrassen, die etwa den Windstrom aus dem Norden für den Mehrbedarf in den Süden transportieren sollen. Und auch der Aus- und Umbau der regionalen Verteilnetze ist von zentraler Bedeutung, damit der „fahrende“ Mehrbedarf an Strom nicht zulasten der Netzstabilität und Versorgungssicherheit geht.

Transportmittel werden klimafreundlicher

Kein Wunder also, dass die Energiewirtschaft ein zentraler Akteur für die E-Mobilität ist und bereits einiges für eine passende Sektorkopplung tut. Sie engagiert sich schon jetzt auf vielfältige Weise für Mobilitätslösungen, bei denen eine „intelligente“, also datenbasierte und interagierende Vernetzung von Fahrzeug, Stromnetz und Erneuerbare-Energien-Anlagen entscheidend ist. Oder um aus dem Dossier E-Mobilität des BDEW Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft zu zitieren:

„Die Energiewirtschaft betrachtet die Elektromobilität nicht einfach nur als alternative Antriebsform. In Kombination mit Strom aus Erneuerbaren Energien wird sie Teil eines integrierten Energiesystems mit Strom, Wärme und Verkehr werden. Elektrofahrzeuge könnten in Zukunft einen wichtigen Beitrag leisten, um das Stromnetz zu stabilisieren, wenn die Einspeisung aus PV- und Windkraftanlagen schwankt. Ist zu viel Strom im Netz, könnte ein Teil davon in Batterien gerade nicht genutzter Fahrzeuge zwischengespeichert werden. Wird im Netz Strom benötigt, könnte dieser aus den Batterien entnommen werden.“

Anders gesagt: Neben der entsprechenden Stromerzeugung und seiner Verteilung in einem ausgebauten Übertragungsnetz kommt der passenden Ladeinfrastruktur in den Verteilnetzen, wie etwa im Versorgungsgebiet von ED Netze, eine große Bedeutung zu.

EE-Ladesäulen überholen Sprit-Zapfsäulen

Das sieht auch die EU so. Im Rahmen des eingangs erwähnten „Fit for 55“-Programms setzt sich die Kommission für bessere Lademöglichkeiten ein. In allen Mitgliedsländern soll es laut ihr bis 2025 auf Hauptstrecken für Autos und Lastwagen alle 60 Kilometer Stromzapfstellen und alle 150 Kilometer Wasserstoff-Tankstellen geben. Bis 2030 sollen EU-weit so 3,5 Millionen Ladestellen entstehen, bis 2050 dann 16,3 Millionen. Denn die letzten Jahre haben gezeigt: Der Ausbau von Ladeinfrastruktur – idealerweise mit „intelligenten“ Ladepunkten – ist ein wichtiger Faktor zur Akzeptanzsteigerung der E-Mobilität auf Kundenseite.

Der bundesdeutsche Masterplan Ladeinfrastruktur, der schon im November 2019 beschlossen wurde, enthält bereits Maßnahmen für den zügigen Aufbau einer flächendeckenden und nutzerfreundlichen Ladeinfrastruktur hierzulande für bis zu zehn Millionen E-Fahrzeuge bis 2030. Konkret geht es dort um gezielte Förderungen, verbesserte gesetzliche Rahmenbedingungen und eine aktive Koordination zwischen Bund, Ländern, Kommunen und Industrie.

Gefragt sind aber nicht nur öffentliche Ladestationen, sondern vor allem auch die Möglichkeit privater Ladeinfrastruktur. Die ist für fast zwei Drittel der Interessenten ausschlaggebend für eine Kaufentscheidung. Besonders Mieter in Mehrfamilienhäusern und Wohnungseigentümer hatten in der Vergangenheit jedoch rechtlich oft keine Möglichkeit, um eine eigene private Ladestation an ihrem Stellplatz zu installieren. Ein Hindernis, das inzwischen beseitigt wurde. Seit Dezember 2020 ist es dank des Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes (WEMoG) jetzt möglich, Lademöglichkeiten in Mehrfamilienhäusern unkompliziert einzurichten. Mit dem Gebäude-Elektromobilitätsinfrastruktur-Gesetz (GEIG) wird zudem sichergestellt, dass Ladeinfrastruktur problemlos in Neubauten und in renovierten Bestandsgebäuden errichtet werden kann.

Stichwort Ladeinfrastruktur

Für den Erfolg der Elektromobilität sind zuverlässige Informationen über Standorte und Verfügbarkeit von Ladeinfrastruktur notwendig. Aktuell gibt es zwei „zentrale“ Möglichkeiten, sich zu informieren.

So erhebt der BDEW regelmäßig, allerdings nicht verpflichtend, die verfügbaren (teil)öffentlichen Ladepunkte in Deutschland und stellt sie in einem Ladesäulenregister online bereit. Die digitale Plattform vom BDEW und der Energie Codes und Services GmbH – die BDEW-Tochter vergibt und verwaltet die für den elektronischen Datenaustausch zwischen den Unternehmen im deutschen Energiemarkt notwendigen Identifikatoren (Codes) zur eindeutigen Bestimmung aller Marktteilnehmer (z. B. seit 2018 auch für die E-Mobilität) – bietet neben der Erhebung weitere Services für Fahrer von Elektroautos und Betreiber von Ladesäulen. So sind neben den reinen Standortdaten daher auch Öffnungszeiten, Methoden der Authentifizierung und Bezahlung, dazu Ladeleistungen und Steckertypen aufgeführt – damit der Landevorgang nicht nur an der heimischen Wallbox unkompliziert ist. Für Ladesäulenbetreiber wiederum stehen auf der Plattform zentrale Informationen zum technischen Aufbau, der Fördermittelvergabe und Meldepflichten bereit.

Eine andere Informationsmöglichkeit ist das verpflichtende Ladesäulenregister der Bundesnetzagentur, sodass man hier die umfassendste Erhebung findet: Rote Pins zeigen die Standortdaten von (teil)öffentlichen Schnellladepunkten an, blaue von Normalladeinrichtungen. Darüber hinaus erfährt man auch hier Ladeleistungen und Steckertypen, mehr aber nicht.

Die Herausforderung besteht dabei darin, die Verteilnetze optimal darauf vorzubereiten und gegebenenfalls auszubauen, da Ladestationen für E-Mobilität im privaten Umfeld primär an die Niederspannungsebene angeschlossen werden. Denn nicht die Anzahl der E-Autos könnte kritisch für das Stromnetz werden, sondern die Menge gleichzeitiger Ladevorgänge vor dem Hintergrund der aktuellen Netzsituation: (Verteil)Netzbetreiber müssen perspektivisch „e-mobile“ Ladevorgänge steuern können, um Lasten dynamisch an die Netzkapazität anzupassen und/oder bestehende Netze höher auszulasten.

Eines haben allerdings Studien und Feldversuche (unter anderem das Projekt E-Mobility-Allee von Netze BW) bereits gezeigt: Die aktuelle Netzstruktur könnte, hochgerechnet auf Basis dieser Feldversuche, schon heute Kapazitäten von über zehn Millionen E-Autos verkraften. Zumal die meisten Fahrzeuge nicht an Schnellladesäulen mit bis zu 350 kW „betankt“ werden, sondern am Zielort mit Ladeleistungen zwischen 2,3 kW (was einer normalen Haushaltssteckdose entspricht) und 3,7 bis 11 kW geladen (die übliche Wallbox). Denn neben der verfügbaren Infrastruktur bestimmt auch die verbaute Ladetechnik die maximal mögliche Ladeleistung und damit die Ladezeit bzw. Last im Netz– und niedrige Ladeleistungen, so ergaben Testreihen, sind gut zu verkraften. An den vergleichsweise wenigen Stellen, an denen es Schnelllader gibt, gilt es, die Netz-Infrastruktur gezielt zu stärken.

Einmal mehr sind also „intelligente“ Stromnetze gefragt, deren vernetzte Akteure und smart ausgewertete Daten die Basis eines vorausschauenden Last- bzw. Engpassmanagements sind. Dabei ist aber noch etwas schon jetzt klar: Je größer der Anteil der Erneuerbaren Energien an der Stromversorgung wird, umso wichtiger werden flexible Zwischenenergiespeicher, um künftig gerade die Schwankungen der fluktuierenden Energiequellen Wind- und Sonnenkraft auszugleichen.

Viele E-Fahrzeuge können das Netz stützen

Die Batterien von E-Fahrzeugen könnten, wie bereits erwähnt, hierfür eingesetzt werden, sofern sie über „intelligente“ Ladesäulen ans Stromnetz angeschlossen werden. Ist dann zu viel Strom im Netz, könnte ein Teil davon in Batterien gerade nicht genutzter, zu dem Zeitpunkt noch „entladener“ Fahrzeuge zwischengespeichert werden. Wird im Netz gerade Strom benötigt, könnte dieser dagegen aus den Batterien aufgeladener Wagen entnommen werden. So würden die Potenziale der Digitalisierung einmal mehr für das Stromnetz genutzt, weil eine smarte Technik von E-Ladesäulen zugunsten der Netzstabilität zum Einsatz käme.

Allerdings stellten E-Fahrzeuge, die vor allem privat (also zu Hause oder beim Arbeitgeber) laden, lange eine echte Herausforderung für die Abschätzung von Netzüberlastungen dar. Deswegen wurde 2019 mit der Anpassung des § 19 der Niederspannungsanschlussverordnung (NAV) die bis dahin nicht vorhandene Meldepflicht privater Ladeinfrastruktur rechtlich verankert – und eine Zustimmungspflicht des Netzbetreibers ab einer Summenbemessungsleistung über 12 kVA eingeführt.

Fazit? Um langfristig das Laden von E-Fahrzeugen überall und jederzeit möglich zu machen, werden die Netzbetreiber – auf allen Spannungsebenen – auch weiter kräftig daran mitarbeiten, damit der Mobilitätswende nicht der Strom ausgeht, sondern clever gemanagt zur Verfügung steht. Selbst, wenn der Wind mal nicht kräftig weht oder die Sonne hinter den Wolken bleibt. Sie sind sich ihrer „spannenden“ Aufgabe bewusst, damit der Verkehr hierzulande bis 2050 klimaneutral werden kann, ohne dass die Mobilität der Menschen eingeschränkt wird.

Ein „e-mobiles“ Pilotprojekt

An seinem Standort Schallstadt hat ED Netze ein Reallabor für E-Mobilität in Gewerbe und Handwerk gestartet, bei dem der Fuhrpark „unter Beobachtung“ elektrifiziert wird. Ziel des Pilotprojekts ist es, aufgrund der dortigen Erfahrungen zu entscheiden, ob und wie sich ein unternehmensweiter Roll-out bei einem Verteilnetzbetreiber mit einem großen Flächennetz umsetzen lässt.

Was alles kann Zeitpläne und Umsetzung beeinflussen (Stichwort unterbrochene Produktionsketten)? Wo müssen welche Prozesse optimiert werden und was für eine alltagstaugliche E-Mobilität-Infrastruktur braucht es (Stichwort Ladepunkte)? Auf den Prüfstand kommt vieles: Auch, ob eine elektrifizierte Flotte überhaupt den Bedürfnissen von Gewerbe- und Handwerksbetrieben gerecht werden kann, da diese oft aus speziell für sie angepassten Montagefahrzeugen bestehen. Denn E-Fahrzeuge sind von Haus aus schwerer als die vergleichbaren Verbrenner – das wirkt sich auf die Innenausbauten aus (Stichwort Zuladung).

Später sollen interessierte Kommunen und Unternehmen, die ähnliches planen, die Ergebnisse erhalten können.

Über die Autorin: Sonja Sahmer

Sonja Sahmer
Sonja Sahmer

Nach „festangestellten“ Jahren in der Presse- und Öffentlichkeitarbeit machte sich Sonja Sahmer 2010 mit Texterlei  als Journalistin, Autorin und Lektorin selbstständig. Neben Magazin-Beiträgen sowie Corporate-Publishing-Projekten textet sie auch für Unternehmenswebsites und -blogs. Mit einer „Schreibe“, die aus Begeisterung entsteht und Lesefreude verspricht. Und von Wissensdurst und Recherchelust zeugt.

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