Potzblitz! Die Elektrizität begleitete die Menschen schon immer. Mehrere tausend Jahre lang war sie höheren Kräften vorbehalten. Ab dem 17. Jahrhundert begannen Forscher, ihre wahre Natur zu entschlüsseln.
von Patrick Torma
Der Begriff „Elektrizität“ geht mutmaßlich auf eine Entdeckung um 550 v. Chr. zurück. Als der Naturphilosoph Thales von Milet ein Tierfell über ein Stück Bernstein rieb, stellte er fest, dass das fossile Harz in der Lage war, Teilchen wie Federn oder Haare anzuziehen. Thales hatte eine elektrostatische Ladung erzeugt und der Elektrizität indirekt zu ihrem Namen verholfen. Denn das Wort ēlektron stammt aus dem Altgriechischen und bedeutet: Bernstein.
Welche physikalischen Kräfte wirkten, vermochte der Gelehrte nicht zu erklären. Was ihn nicht grämen musste: Bis die Menschheit dieses Geheimnis lüftete, sollten noch 2.000 Jahre Weltgeschichte vergehen.
Solange fielen Naturphänomene in die Zuständigkeit von Göttern und anderer kosmischer Mächte. Man denke an den griechischen Göttervater Zeus, der mit seinem Donnerkeil Blitze gen Erde schleuderte. Sein römisches Pendant, Jupiter, drückte auf diesem Wege sogar seine Gunst aus.
Meist jedoch verhießen Blitze eines: Ärger. Schließlich wurden sie als Zeichen eines überirdischen Missfallens gewertet. So hatte der studierte Jurist Martin Luther ursprünglich vor, weltlichen Geschäften nachzugehen. Bis er 1505 in ein schweres Gewitter geriet und vor lauter Gottesfurcht entschied, sein weiteres Leben als Mönch zu verbringen.
Elektrizität wird zum Unterhaltungsmedium
Auf dem Weg zur modernen Wissenschaft kamen Denker und Tüftler auf Milets Bernstein-Reibereien zurück. Etwa der britische Physiker William Gilbert, der versuchte, jeden Stoff aufzuladen, den er in die Finger bekam. Er war es auch, der die Elektrizität um 1600 als solche erstmals benannte.
Der Deutsche Otto von Guericke entwickelte 1663 einen Apparat, der mithilfe einer sich drehenden Schwefelkugel elektrostatische Ladungen erzeugte. Erfinderkollegen sattelten auf diesem Prinzip auf und konstruierten eigene Modelle. Elektrisiermaschinen eroberten die Studierstuben und Salons gleichermaßen. Plötzlich war Elektrizität „handhabbar“.
Insbesondere in gehobenen Kreisen geriet sie zu einem Unterhaltungsmedium. Vorführer ließen Funken sprühen und die Haare ihres vornehmen Publikums zu Berge stehen. Reiche Familien holten sich Elektrisiermaschinen als Spielzeug ins Haus. Das einfachere Volk ließ sich auf Jahrmärkten „elektrisieren“.
Ein erster Schritt zur Bändigung der elektrischen Phänomene. Je mehr Menschen sie in den Bann zogen, desto mehr Menschen dachten ernsthaft über sie nach. Etwa soll Benjamin Franklin von einer solchen Demonstration zu seinen Forschungen inspiriert worden sein.
Drachen und Froschschenkel tragen zur Entschlüsselung bei
Franklin entmystifizierte den Blitz als einen enormen, natürlichen Funken, indem er einen Drachen steigen ließ. Ob sich der Erfinder des Blitzableiters höchstpersönlich ins tobende Unwetter wagte, um anno 1752 eine geradezu fahrlässige Versuchsanordnung durchzuführen, ist umstritten.
Zu dieser Zeit ging die Wissenschaft davon aus, dass die Elektrizität ein Fluidum sei: Eine Substanz, die in Körper fahren und Stoffen entweichen könne. Mancher sah in ihr einen „Lebensfunken“, der Mensch und Tier innewohnt.
Luigi Galvani war 1789 beiden Theorien auf der Spur, als er in seinem Labor die Schenkel sezierter Frösche zum Zucken brachte. Eine Entdeckung, mit dem der Italiener auch die frühe Science-Fiction-Literatur beflügelte: Als Mary Shelley ihr berühmtes Monster zum Leben erweckte, standen mitunter die galvanischen Experimente Pate.
Ihr Roman „Frankenstein“ erschien 1818. Da war dank Galvanis italienischem Landsmann Alessandro Volta bereits klar: Das Schenkelzucken war keineswegs durch innere, tierische Elektrizität verursacht worden. Sondern durch eine elektrische Spannung, herbeigeführt durch den Kontakt metallischer Skalpelle. Kurz gesagt: durch einen Stromfluss.
Über den Autor: Patrick Torma
Als freier Journalist und Texter spürt Patrick Torma spannenden Geschichten nach – und bringt sie für Leser auf den Punkt. Zu seinen Auftraggebern zählen Medien und Redaktionsbüros, aber auch Unternehmen, die ihrer Zielgruppe einen Mehrwert bieten. Technische und historische Themen begeistern ihn besonders. Da trifft es sich gut, dass die (Strom-)Netzgeschichten im ED-Netze-Blog beides vereinen.
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